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Kehrt der Kalte Krieg zurück? «Es geht nicht um Raketenabwehr in einem grossen Krieg»

Die USA wollen sich besser gegen mögliche feindliche Raketenangriffe schützen können. Präsident Donald Trump hat zu diesem Zweck eine neue Strategie präsentiert. Oliver Thränert ist Spezialist für Sicherheitspolitik und erklärt, was es damit auf sich hat.

Oliver Thränert

Sicherheitsexperte ETH Zürich

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Der Spezialist für Sicherheitspolitik leitet den Think Tank am Centre for Security Studies an der ETH Zürich. Von 2001 bis 2012 war Thränert an der deutschen Stiftung für Wissenschaft und Politik tätig.

SRF News: Seit Ronald Reagan präsentieren US-Regierungen immer wieder Raketenschutzschirme. Was ist nun neu an den Plänen der Regierung Trump?

Oliver Thränert: Neu sind zwei Aspekte. Erstens geht es im Vergleich zu den Plänen der Obama-Administration nicht mehr nur darum, den Schutz gegenüber Staaten wie Iran oder Nordkorea in den Vordergrund zu stellen. Diese Länder haben relativ überschaubare Kontingente an Raketen. Zweitens möchte sich die Trump-Administration gegenüber grösseren Staaten besser schützen können. Staaten wie Russland und China verfügen über grössere Potenziale an Raketen.

Der Trump-Administration geht es darum, gegnerische Raketen frühzeitig abfangen zu können, entweder vor oder unmittelbar nach dem Start.

Es geht allerdings nicht darum, Raketenabwehr zur Vorbereitung eines grossen Krieges aufzustellen. Die USA will die Möglichkeit haben, in regionalen Szenarien – zum Beispiel bei einer Auseinandersetzung mit China um Taiwan oder zwischen der Nato und Russland um das Baltikum – durch Raketenabwehr den Schutz der eigenen Streitkräfte und der eigenen Bevölkerung besser sicherstellen zu können.

«Schurkenregimes» auf der ganzen Welt bauten ihre Arsenale vor allem im Bereich der Langstreckenraketen stetig aus, sagte Donald Trump. Stimmt das?

Ja, das ist der Fall. Das herausragendste Beispiel ist Nordkorea. Das Land ist offensichtlich schon so weit, Interkontinentalraketen bauen und einsetzen zu können. Auch Iran setzt seine Raketenprogramme fort. Weitere Staaten sind ebenfalls in der Lage, entsprechende Systeme auf der Grundlage von ursprünglich sowjetischer Technologie so weiter zu entwickeln, dass sie über grössere Distanzen abgeschossen werden können.

Die USA prüfen bereits die Stationierung von Sensoren im Weltraum. Was muss man sich darunter vorstellen?

Der Trump-Administration geht es darum, gegnerische Raketen möglichst frühzeitig abfangen zu können, entweder bereits vor dem Start oder unmittelbar nach dem Start, nicht erst in der sogenannten Endanflug-Phase. Dazu möchte man neue Lasersysteme zum Einsatz bringen. Voraussetzung dafür ist, mit einer ausgefeilten global operierenden Sensorik feststellen zu können, wo Raketenstarts stattgefunden haben oder unmittelbar bevorstehen. Da muss man im Weltraum stationierte Satelliten, die mit entsprechenden Sensoren ausgestattet sind, dafür nutzen.

Aller Polarisierung in der US-amerikanischen Gesellschaft zum Trotz geniesst das Thema Raketenabwehr sowohl bei Demokraten als auch bei Republikanern breite Unterstützung.

Die USA sind nicht die einzige militärische Grossmacht. Beginnt nun eine neue Phase des globalen Wettrüstens?

Ja, das hat aber nicht ursächlich mit dem Thema Raketenabwehr zu tun. Wir haben es damit zu tun, dass es Konkurrenz zwischen Grossmächten, insbesondere den USA, Russland und China, gibt. Alle Staaten verfügen über Kernwaffen und Raketen. Das Thema Abschreckung spielt daher wieder eine grosse Rolle. In diesem Zusammenhang geht es nun um die Raketenabwehr. Sie wird nun von der Trump-Administration etwas in den Vordergrund gerückt. Aber aller Polarisierung in der US-amerikanischen Gesellschaft zum Trotz geniesst das Thema Raketenabwehr grundsätzlich sowohl bei Demokraten als auch bei Republikanern breite Unterstützung.

Das Gespräch führte Joël Hafner.

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