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Kehrtwende in London Nun also doch: Liz Truss zieht Steuerpläne zurück

Zuerst seien es «Missverständnisse» gewesen. Jetzt zieht die neue Premierministerin ihr Steuervorhaben zurück.

Liz Truss krebst nun doch zurück: Nach heftiger Kritik an ihren Wirtschaftsplänen hat die britische Regierung eine massive Kehrtwende vollzogen. Finanzminister Kwasi Kwarteng kündigte am Montagmorgen in Birmingham an, den Spitzensteuersatz von 45 Prozent für Topverdiener doch nicht zu streichen. «Wir haben es verstanden, wir haben zugehört», schrieb der konservative Politiker in einem auf Twitter veröffentlichten Statement.

Zuvor hatten bereits prominente Mitglieder der Tory-Partei wie die Ex-Minister Michael Gove und Grant Shapps die Steuererleichterungen und die enorme Staatsverschuldung scharf kritisiert und angedeutet, im Parlament dagegen stimmen zu wollen. Die Regierung musste eine Rebellion in der eigenen Partei befürchten.

Das sagt Korrespondent Patrik Wülser zur Kehrtwende

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Die Stimmung am derzeit stattfindenden Parteitag der konservativen Torys von Liz Truss in Birmingham drohte zu kippen: Immer mehr konservative Stimmen äusserten sich sehr kritisch und harsch zu den Plänen, den Spitzensteuersatz abzuschaffen. Auch die massive Reaktion der Finanzmärkte konnte man nicht mehr kleinreden – ein solches Debakel zwei Jahre vor den Wahlen konnte man sich schlicht nicht leisten. Es zeichnete sich also ab, dass das Steuerpaket in dieser Form im Parlament keine Mehrheit finden würde. Truss musste deshalb die Notbremse ziehen. Allerdings macht der Spitzensteuersatz im gesamten Steuersenkungspaket umgerechnet bloss 2 bis 4 Milliarden Franken aus – bei gesamten Steuerausfällen von rund 60 Milliarden Franken. Am Parteitag der Konservativen Partei kehrt jetzt zwar so etwas wie Scheinharmonie ein. Doch der Gesichtsverlust für Premierministerin Liz Truss ist riesig, die Umfragewerte der Torys sind im freien Fall.

Finanzminister Kwarteng übernimmt die Verantwortung für die Vorfälle, schliesst aber gleichzeitig seinen Rücktritt aus. Auch Truss spricht ihm sein Vertrauen aus. Rachel Reeves, Finanzsprecherin der britischen Opposition (Labour-Partei), kritisierte derweil die Regierung. Sie hätte ihre wirtschaftliche Glaubwürdigkeit zerstört und das Vertrauen in die britische Wirtschaft beschädigt.

Ein Scherbenhaufen

Zur Vorgeschichte: Die Steuersenkungspläne von Liz Truss lösten an den Finanzmärkten Panik aus. Das britische Pfund stürzte ab und die Bank of England musste massiv Staatspapiere aufkaufen, um die Lage zu beruhigen.

Einige Tage später hat sich Truss am Sonntag in der BBC erstmals zu den Ereignissen geäussert. Sie bedauere die Turbulenzen und die allfälligen – wie sie sagt – «Missverständnisse», welche das Steuerpaket ausgelöst hätten. Sie werde es in Zukunft besser machen, sie habe etwas gelernt.

Liz Truss
Legende: Die britische Premierministerin Liz Truss steht im Gegenwind am Vorabend des Parteikongresses ihrer konservativen Partei in Birmingham. REUTERS / Toby Melville

Damals sprach sie aber vor allem von einem Kommunikationsfehler. Der Inhalt des Steuerpakets, nämlich Steuersenkungen in Milliardenhöhe mehrheitlich zugunsten der fünf Prozent Reichsten im Lande, fand sie nach wie vor richtig und nötig. Diese Ansicht dürfte nun hinfällig sein.

SRF-Korrespondent Patrick Wülser erinnert daran, dass Steuersenkungen Truss den Weg an die Macht geebnet haben: «Mit diesem Versprechen begeisterte sie im Sommer die konservative Basis. Und wie einst Margaret Thatcher und Ronald Reagan vertritt Liz Truss die Ansicht, dass alle davon profitieren, wenn es den Reichen gut geht.»

«Trickle-down» mindestens umstritten

Wenn also Unternehmen investieren und Arbeitsplätze schaffen, hätten alle etwas davon, begründet Truss vergangene Woche ihre Theorie. Man spricht von der sogenannten Trickle-down-Theorie [dt. «nach unten rieseln»], mit der Idee, dass der Wohlstand der Reichsten durch deren Konsum und Investitionen in die unteren Schichten der Gesellschaft durchdrückt und zu Wirtschaftswachstum führen würde. Ein Modell, das gemäss Ökonomen noch nie richtig funktioniert hat, schon gar nicht in einer Inflation. 

Das Problem sei aber, sagt Wülser, dass Millionen von Britinnen und Briten derzeit nicht wüssten, wie sie diesen Winter ihre Rechnungen bezahlen sollen. Die Inflation liegt bei gut 10 Prozent und die britische Notenbank kämpft mit Zinserhöhungen dagegen.

Die Auswirkungen seien denn auch sofort und hart spürbar gewesen, sagt der SRF-Korrespondent: «Truss hatte versprochen, sie wolle den Leuten weniger Geld aus der Tasche ziehen. In den vergangenen Tagen ist aber genau das Gegenteil eingetreten: Das Pfund hat an Wert verloren, man bekommt weniger für sein Geld.» Nun krebst die Regierung also zurück und wird die Steuerpolitik neu auslegen.

Echo der Zeit, 02.10.2022, 18:00 Uhr ; 

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