«Die Mauer ist für Mexiko eine Demütigung»: Mit solch markigen Sätzen profilierte sich der Präsidentschaftskandidat Andrés Manuel López Obrador, kurz AMLO, im Wahlkampf. Doch seit seinem Amtsantritt weigert sich der Präsident, über den Mauerstreit in den USA überhaupt noch zu sprechen.
Wir mischen uns nicht in die inneren Angelegenheiten der USA ein.
«Wir mischen uns nicht in die inneren Angelegenheiten der USA ein», sagte er im Januar auf eine entsprechende Journalistenfrage. Ihn habe diese Antwort nicht überrascht, sagt Jorge A. Schiavon, Professor für internationale Beziehungen am CIDE, einer der renommiertesten Hochschulen Mexikos.
Wenn es in den USA um Wahlkampf gehe – und darum gehe es schliesslich beim Mauerstreit – dann halte sich Mexiko besser raus. Denn Mexiko sei auf gute Beziehungen zum nördlichen Nachbarn angewiesen, nur schon aus wirtschaftlichen Gründen, erklärt Schiavon. In den USA leben 36 Millionen Mexikaner, 80 Prozent der mexikanischen Exporte gehen dorthin, und von dort kommt auch die Hälfte der ausländischen Investitionen.
Mexiko unterstützt Trumps Asylpolitik
Der Politologe und Mexiko-Spezialist David Shirk von der Universität San Diego weist darauf hin, dass sich AMLO mit Kritik an Trumps Mauerplänen nicht nur zurückhält. Er verschweige auch weitgehend seine enge Zusammenarbeit mit den USA. Denn seine Regierung unterstütze die Trump-Regierung still und heimlich in ihrer restriktiven Einwanderungspolitik.
Und zwar noch viel stärker, als es AMLOs Vorgänger Enrique Peña-Nieto je getan habe, betont Shirk. Ohne dies öffentlich bekanntzugeben, hat sich AMLOs Regierung bereiterklärt, einen Teil der Asylbewerber zurückzunehmen. Diese müssen nun in Mexiko auf ihren amerikanischen Asylentscheid warten.
Gleichzeitig verweigere Mexiko US-Anwälten und Menschenrechtsaktivisten die Einreise, erklärt Shirk – also genau jenen Personen, die diese Asylbewerber in den mexikanischen Grenzstädten beraten und unterstützen sollten. Und man dürfe auch nicht vergessen, dass Mexiko inzwischen rund die Hälfte der Migrantinnen aus Zentralamerika wieder in ihre Heimat deportiert, lange bevor diese Menschen überhaupt die US-Grenze erreichen.
Bevölkerung beschäftigen andere Themen
Diese Willfährigkeit gegenüber der Trump-Regierung könnte dem Ansehen von López Obrador zwar schaden, wenn die eigene Bevölkerung davon erführe. Aber damit halte sich der neue mexikanische Präsident den Rücken frei und könne sich besser auf die Innenpolitik konzentrieren, so Shirk.
Denn dort sind die Erwartungen riesig: Gewalt, Drogenkriminalität, Korruption und Armut – zu all diesen Problemen wollen die Mexikanerinnen und Mexikaner dringend Lösungen von López Obrador. AMLO glaube zu Recht, dass die Probleme im eigenen Land für die mexikanische Bevölkerung letztlich wichtiger seien, als das Schicksal der Flüchtlinge aus Zentralamerika.
Deshalb schweige der Präsident lieber zum Thema Immigration, so der amerikanische Politologe. Bisher ist AMLOs Rechnung aufgegangen.