Wer sich in Russland gegen den Krieg wehrt, wird bestraft. Gerade letzte Woche ist die Künstlerin und Friedensaktivistin Alexandra Skotschilenko zu sieben Jahren Straflager verurteilt worden. Die 33-Jährige hatte im Frühling 2022 in Supermärkten Preisschilder durch Zettel ersetzt, in denen sie ein Ende des Kriegs forderte.
«Haltet die Finger weg von Kritik an dem Krieg, bleibt ruhig und unterlasst solche Sachen» – diese drakonische Strafe soll die Russinnen und Russen warnen, sagt Christof Franzen. Er berichtet für SRF über Russland und ist vor kurzem von einer Reise dorthin zurückgekehrt.
Die Mehrheit der Menschen in Russland steht nach Umfragen hinter der Regierung und deren Kriegsführung. Doch wirklich kriegsbegeistert seien die wenigsten, so Franzen. Fragt man als Ausländer nach dem Krieg, begründen diesen viele gemäss russischer Propaganda: Wir kämpfen nicht gegen die Ukraine, sondern gegen die Nato. Oder: Hätten wir uns nicht um die Sache gekümmert, wären wir früher oder später angegriffen worden.
Enthusiasmus für den Krieg spürt der Journalist aber nicht: «Ich habe eher das Gefühl, viele Menschen wollen ihr Leben leben. Sie versuchen, das zu verdrängen. Die meisten versuchen, den Krieg nicht zu beachten. Oder sie haben sich schon daran gewöhnt und nehmen ihn nicht mehr richtig wahr.»
Die Russen würden also nicht mehr viel über den Krieg reden, hat Franzen bei seiner letzten Reise beobachtet, «nicht in der Familie, nicht am Arbeitsplatz, nicht im Studium. Die Menschen wollen keinen Streit, wollen die Sache vergessen. Und es ist auch gefährlich, darüber zu reden.»
Auf den ersten Blick könnte das Vergessen fast gelingen. «In Russland kriegt man nicht viel davon mit.» Gewisse Momente beunruhigen die Russinnen und Russen dann doch. So gab es in den letzten Monaten immer wieder mal Drohnenangriffe auf Moskau und andere Städte.
Und das Gespenst einer möglichen zweiten Mobilmachung steht ebenfalls im Raum. Denn das würde bedeuteten, dass wieder Hunderttausende Männer an die Front geschickt würden.