SRF News: Wie hat Kim Jong Un Nordkorea in den fünf Jahren, die er nun an der Macht ist, verändert?
Peter Achten: Kim Jong Un hat sich seine Macht nicht nur erhalten – er hat sie sogar ausgebaut. Dabei ist er vor keinem Mittel zurückgeschreckt. So hat Kim beispielsweise seinen Onkel Chang Song Taek verhaften, öffentlich blossstellen und hinrichten lassen. Daneben gibt es aber auch tendenziell positive Entwicklungen in Nordkorea, die aber nicht mit Kim zu tun haben: So hat inzwischen beispielsweise fast jeder Zehnte der 24 Millionen Norkoreaner ein Handy. Auch gibt es ein inner-nordkoreanisches Intranet. Aufs eigentliche Internet können die allermeisten Nordkoreaner nicht zugreifen, das können nur die paar tausend Angehörigen der Nomenklatura. Wirtschaftlich hat sich ebenfalls einiges getan. So gibt es nun zahlreiche illegale Märkte im Land, auf denen sich die Menschen versorgen können. Trotzdem gibt es in Nordkorea immer noch eine Knappheit an Nahrungsmitteln, Unterernährung und Hunger.
Nordkorea hat in den letzten Monaten immer wieder Raketen und Atombomben getestet. Was bezweckt Kim mit diesen militärischen Provokationen?
Tatsächlich: Der nordkoreanische Diktator hat das Atomprogramm in den letzten fünf Jahren massiv ausgebaut. Allein im zu Ende gehenden Jahr hat er zwei Atom- und zahlreiche Raketentests durchführen lassen. Auch hat er wilde Drohungen gegen Südkorea und die USA ausgestossen und gesagt, er werde Seoul und Washington in Aschehaufen verwandeln. Ziel der Provokationen ist natürlich das Überleben der Kim-Dynastie und der Elite im Land. Kims Vorgehen ist quasi seine Lebensversicherung, wie er aus dem Nahen Osten gelernt hat. So sagte er sich wohl, dass auch Libyens früherer Diktator Muammar al-Gaddafi noch an der Macht wäre, wenn er sein Atomprogramm nicht aufgegeben hätte. Gleichzeitig verweigert sich Kim jedwelchen Verhandlungen. Sein Grossvater Kim Il Sung und sein Vater Kim Jong Il waren dazu noch bereit gewesen. Damit ist klar: Kim Jong Un braucht seine Atombomben als Lebensversicherung.
Was bedeutet das für die Beziehungen für Südkorea?
Zwischen den beiden Koreas herrscht Eiszeit, die Beziehungen sind vollständig eingefroren. Sogar die Sonderwirtschaftszone Kaesong an der Grenze zur entmilitarisierten Zone ist geschlossen worden. Dies obwohl sie für Pjöngjang ein grosser Devisenbringer gewesen ist. Derzeit gibt es keine Hoffnung auf eine Verbesserung der Beziehungen.
Der erst 33-jährige Kim Jong Il sitzt ebenso fest im Sattel, wie das sein Grossvater Kim Il Sung tat.
Nordkorea scheint sich gegenüber dem Ausland aber auch etwas zu öffnen. So war das Land etwa an der Berner Touristenmesse zugegen, es gibt inzwischen vereinzelte Angebote für Touristen-Reisen ins Land. Bedeutet das eine Öffnung oder geht es nur ums Geld?
Das ist keineswegs eine Öffnung. Nordkorea kann man nur in Gruppenreisen besuchen, rund um die Uhr ist man begleitet und bewacht. Das ist seit 30 Jahren so. Ich war insgesamt 13 Mal in Nordkorea, und es war immer das Gleiche. Pjöngjang geht es einzig ums Geld, denn das Regime braucht dringend Devisen. Vor allem die UNO-Sanktionen wegen des Atomprogramms lasten schwer auf dem Land. Dabei ist der Tourismus ein legaler Weg, um Devisen zu beschaffen, neben dem es auch viele illegale gibt. Zu erwähnen sind hier etwa Falschgeld oder der illegale Waffenhandel.
Angesichts der geschilderten Situation: Wie sicher sitzt Kim Jong Un im Sattel?
Er hat seine Macht in den letzten Jahren gefestigt. Trotzdem: Nordkorea ist heute ein bisschen offener als noch vor 20 Jahren. So kann Kim Jong Un etwa seinen 24 Millionen Untertanen nicht mehr vormachen, dass die Südkoreaner in völliger Armut lebten – wie das noch sein Vater und Grossvater konnten. Trotzdem sitzt der erst 33-jährige Kim Jong Un ebenso fest im Sattel, wie das sein Grossvater Kim Il Sung tat.
Das Gespräch führte Hans Ineichen.