Wenn Bauer Mohammad Sajjad zu seinem Hof will, muss er knietief durchs Wasser waten. Die Flut sei kurz vor der Ernte gekommen, mitten in der Nacht. Sie habe alles zerstört: zehn Hektare Baumwolle, knapp vier Hektare Reis, das Haus.
Bauer Sajjad hat in einer einzigen Nacht alles verloren
Für den Süden Punjabs war es die schlimmste Überschwemmung in drei Jahrzehnten. Hunderttausende Hektar Land wurden Ende August von Flutwasser überspült. Bauer Sajjad zeigt auf eines seiner Felder: Aus dem schlammigen Wasser ragen verrottete Baumwollstengel.
-
Bild 1 von 2. Bauer Sajjads überflutetes Baumwollfeld: Das ganze Saatgut ist zerstört. Bildquelle: SRF / Maren Peters.
-
Bild 2 von 2. Die Provinz Punjab gilt als «Brotkorb» von Pakistan. Doch die Flut zerstörte etliche Felder. Bildquelle: SRF / Maren Peters.
Er habe sein ganzes Geld in die Saat investiert, sagt der achtfache Vater. Die Regierung hat Hilfe versprochen, aber noch nicht gezahlt.
Fragt man Bauer Sajjad, wer Schuld sei an der Überschwemmung, sagt er: Indien. Der Erzfeind habe einfach die Dämme geöffnet. Das behauptet auch die Regierung.
Auch in Indien sind die Flüsse übergelaufen
In der Provinzhauptstadt Lahore widerspricht der bekannte Anwalt und Umweltaktivist Rafay Alam. Nicht Indien sei schuld an der Flut, sondern ein ungewöhnlich intensiver Monsunregen – eine Folge des Klimawandels.
Schon Mitte August seien die Flüsse und Stauseen auf indischer Seite voll gewesen. Indien habe die Dämme Richtung Pakistan öffnen müssen, habe Pakistan aber vorher informiert. Doch die pakistanischen Behörden hätten nicht rechtzeitig reagiert.
Es sei einfacher, mit dem Finger auf Indien zu zeigen, statt sich die wirklichen Probleme anzuschauen, sagt der Anwalt. «Der Klimawandel ist ein ernsthaftes Problem. Die Unfähigkeit der pakistanischen Regierung, mit Hochwasser umzugehen, ist auch ein ernsthaftes Problem.»
Mächtige Investoren bauen eine Stadt am Fluss, trotz Flutgefahr
Rafay Alam nennt ein Beispiel: umstrittene, staatlich geförderte Bauprojekte in der Nähe hochwassergefährdeter Flüsse. Eines davon ist das schicke Neubauviertel Park View City in Lahore. Auch ein Teil der Villen wurde mit braunem Flusswasser überspült. Internationale Expertinnen und Experten warnen seit Jahren vor flussnaher Bebauung.
-
Bild 1 von 3. Das Gericht sagt Stopp, gebaut wird trotzdem: Eine Mega-Stadt für 35 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner soll hier entstehen. Bildquelle: SRF / Maren Peters.
-
Bild 2 von 3. Am Ufer des Flusses, welcher jüngst übergelaufen ist, soll die riesige Stadt entstehen. Bildquelle: SRF / Maren Peters.
-
Bild 3 von 3. Vorne wird gebaut, hinten erstreckt sich der Fluss Ravi. Bildquelle: SRF / Maren Peters.
«Sehr einflussreiche Investoren haben sich nicht darum geschert», sagt Alam. Das Neubauviertel wurde von der Firma eines amtierenden Ministers geplant. Das nächste Grossprojekt in Flussnähe ist längst in Planung.
Die Mafia mache hier Geld, vermutet der Bauer
Vor den Toren Lahores, eine halbe Autostunde vom Anwalt entfernt, fährt Grossbauer Suleman Mohammad Sajjad Warraich an den Kartoffeläckern seiner Familie vorbei. Am Horizont fliesst der Fluss Ravi. Der 67-Jährige zeigt durch das Autofenster: «Hier, in diesem Niemandsland, wollen sie eine neue Stadt bauen.»
Wechselnde Regierungen planen eine Mega-Stadt für 35 Millionen Menschen, auf beiden Seiten des gerade über die Ufer gelaufenen Flusses Ravi. Für das Milliardenprojekt sollen Hunderte Bauern von ihren Äckern vertrieben werden. «Die Mafia macht hier Geld», vermutet Warraich.
Zusammen mit anderen Bauern hat er gegen das Projekt geklagt. Vor drei Jahren ordnete der Oberste Gerichtshof von Lahore einen Baustopp an. Aber die Investoren und die Regierung schert das nicht. Am Flussufer wird weitergebaut. «Wenn wieder eine Flut kommt, wird das Wasser seinen Weg finden – und uns alle umbringen», sagt Bauer Warraich.