Sozialdemokraten, Grüne und Liberale haben sich auf einen Koalitionsvertrag für ein gemeinsames «Ampel»-Bündnis geeinigt.
«Mehr Fortschritt wagen: Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit» lautet der Titel des 177 Seiten starken Werkes.
Falls er von den geplanten Parteitagen beziehungsweise Mitgliederbefragungen gebilligt wird, könnte SPD-Spitzenkandidat Olaf Scholz in der übernächsten Woche im Bundestag zum neuen Bundeskanzler gewählt werden.
Der bisherige Finanzminister würde die Nachfolge von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) antreten, die sich nach vier Amtszeiten aus der aktiven Politik zurückzieht. «Die Ampel steht», sagte Scholz bei der Vorstellung des Vertrages am Mittwochnachmittag in Berlin. «Unser Ziel ist es, das erste Bündnis von Rot, Grün und Gelb auf Bundesebene zu führen». Die neue Koalition solle eine «wegweisende Rolle» für Deutschland spielen. «Wir wollen mehr Fortschritt wagen», fügte er hinzu.
Nach dem Koalitionsvertrag soll der gesetzliche Mindestlohn in Deutschland auf 12 Euro pro Stunde steigen. Derzeit liegt er bei 9.60 Euro und würde nach bisherigem Stand bis 1. Juli auf 10.45 Euro steigen. Scholz sprach von einer Gehaltserhöhung für zehn Millionen Bürgerinnen und Bürger.
Drohnenkauf der Bundeswehr geplant
Die «Ampel» (benannt nach den drei Parteifarben) will auch eine «kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften» einführen. Dadurch würden «die Qualität kontrolliert, die Weitergabe verunreinigter Substanzen verhindert und der Jugendschutz gewährleistet», heisst es im Vertrag.
Die neuen Partner wollen in einer gemeinsamen Bundesregierung auch eine Bewaffnung von Drohnen der Bundeswehr ermöglichen. Diese könnten zum Schutz der Soldaten im Auslandseinsatz beitragen.
Saubere Energie bis 2030
Bis 2030 soll Deutschland 80 Prozent seines Stroms aus sauberen Energiequellen beziehen. Das geht ebenfalls aus dem Vertrag hervor. Bislang galt in Deutschland das Ziel, bis 2030 einen Anteil von 65 Prozent erreicht zu haben.
Das Mindestalter für die Teilnahme an Bundestagswahlen soll nach dem Willen von SPD, Grünen und FDP auf 16 Jahre gesenkt werden.
Die im deutschen Grundgesetz verankerte Schuldenbremse soll ab 2023 wieder eingehalten werden. Im kommenden Jahr müssten wegen der andauernden Pandemie-Folgen noch einmal neue Kredite aufgenommen werden, heisst es im Koalitionsvertrag. Die Schuldenbremse in Artikel 115 des Grundgesetzes erlaubt in wirtschaftlich stabilen Zeiten nur geringe Kredite über 0.35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP).
So verlief die Wahl Ende September
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Die SPD hatte die Bundestagswahl am 26. September mit 25.7 Prozent der Stimmen gewonnen, Merkels bisher regierende Christdemokraten waren um mehr als acht Punkte auf 24.1 Prozent abgestürzt. Die bisherige schwarz-rote Koalition verlor ihre Mehrheit. Die «Ampel»-Verhandlungen begannen nach vorherigen Sondierungen am 21. Oktober.
«Wir wollen ein Deutschland, das schlichtweg funktioniert», sagte Grünen-Chef Robert Habeck. Er sehe die künftige Bundesregierung klimapolitisch auf dem richtigen Weg. «Wir sind auf 1.5-Grad-Pfad mit diesem Koalitionsvertrag», sagte er.
«Was jetzt gebildet wird, ist eine Koalition der Mitte, die das Land voran führt», sagte FDP-Chef Christian Lindner. «Die Gespräche waren genauso kontrovers, wie sie diskret waren», sagte er weiter.
Scholz dürfte nun zwischen dem 7. und 9. Dezember zum Kanzler gewählt werden. Einziger Stolperstein könnte noch die digitale Urabstimmung der Grünen-Mitglieder werden, die am Donnerstag beginnen und zehn Tage dauern soll.
So wollen sie Deutschland regieren
Auch über die Besetzung der Ressorts haben sich SPD, Grüne und FDP nach dpa-Informationen bereits verständigt.
Die SPD soll demnach zusätzlich zu Bundeskanzler Olaf Scholz sechs Ministerien bekommen, die Grünen fünf und die FDP vier.
Nach Angaben aus Parteikreisen geht an die Grünen ein neu geschaffenes Wirtschafts- und Klimaministerium, das Aussenministerium sowie die Ressorts Umwelt/Verbraucher, Agrar/Ernährung und Familie.
Die FDP bekommt demnach das Finanz-, Verkehrs-, Bildungs- und das Justizministerium. Damit würde Lindner Scholz' Nachfolger als Finanzminister.
Die SPD übernimmt das Innen- und das Verteidigungsministerium, ein neu geschaffenes Bauministerium, sowie die Ressorts Gesundheit, Arbeit und Soziales und wirtschaftliche Zusammenarbeit. Auch den Kanzleramtsminister soll die SPD stellen.
Die Kernpunkte des Koalitionsvertrags
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Mindestlohn: Der gesetzliche Mindestlohn soll von derzeit 9.60 Euro auf 12 Euro pro Stunde steigen.
Mieten: Die Mietpreisbremse soll verlängert und verschärft werden. In Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt soll die Miete binnen drei Jahren nur noch bis zu 11 Prozent steigen dürfen statt wie bisher bis zu 15 Prozent.
Energiekosten: Zum 1. Januar 2023 soll die Finanzierung der milliardenschweren EEG-Umlage zur Förderung des Ökostroms über den Strompreis abgeschafft werden.
Homeoffice: Wer im Homeoffice arbeitet, soll auch im kommenden Jahr noch eine besondere Pauschale bei der Steuererklärung geltend machen können.
Staatsverschuldung: Die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse soll ab 2023 wieder eingehalten werden.
Die Schuldenbremse in Artikel 115 des Grundgesetzes erlaubt in wirtschaftlich stabilen Zeiten nur geringe Kredite über 0.35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP).
Nahverkehr: In den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs soll mehr Geld gesteckt werden.
Bahnreform: Zwischen den grössten Städten sollen Züge künftig im Halbstundentakt fahren, Umsteigezeiten sollen deutlich verkürzt werden.
Elektroautos: Die Lademöglichkeiten für Elektroautos sollen schneller ausgebaut werden.
Drogen: Cannabis soll für Erwachsene künftig zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften erhältlich sein.
Flüchtlinge: Mehr Flüchtlinge sollen künftig ihre Angehörigen zu sich nach Deutschland holen können.
Bundeswehr: Der Truppe soll die Bewaffnung von Drohnen ermöglicht werden.
Rüstungsexporte: Die deutschen Rüstungsexporte sollen mit einem neuen Gesetz effektiver beschränkt werden.
Atomare Abrüstung: Die grundsätzliche deutsche Ablehnung des Atomwaffenverbotsvertrags der Vereinten Nationen soll aufgegeben werden – eine Abweichung von der bisherigen Nato-Linie.
Wahlalter: Das Mindestalter für die Teilnahme an Bundestagswahlen soll von 18 auf 16 Jahre gesenkt werden.
Erneuerbare Energien: Bis 2030 soll Deutschland 80 Prozent seines Stroms aus erneuerbaren Energien beziehen. Bislang galt das Ziel, bis 2030 einen Anteil von 65 Prozent erreicht zu haben.
Führerschein: SPD, Grüne und FDP wollen das Mindestalter zum Erwerb eines Pkw-Führerscheins senken und begleitetes Fahren bereits ab 16 statt wie bisher mit 17 Jahren ermöglichen.
Wie es nach dem Koalitionsvertrag weitergeht
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Bis eine gemeinsame Regierung steht und SPD-Spitzenkandidat Olaf Scholz Als Kanzler starten kann, dürfte es noch ein paar Tage dauern. Das ist der «Ampel»-Fahrplan:
Personalentscheidungen: Zwar wird im Koalitionsvertrag bestimmt, welche Partei welches Ministerium leitet, nicht aber die Namen der Ressortchefs. Diese verkünden die Parteien traditionell zeitnah nach der Vorstellung des Koalitionsvertrags.
Zustimmung der Parteien: Was die Parteiführungen ausgehandelt haben, muss noch bestätigt werden. SPD und FDP haben dafür Parteitage am Wochenende 4./5. Dezember geplant. Bei den Grünen werden die Mitglieder über den Koalitionsvertrag und das Personaltableau entscheiden. Die Urabstimmung soll an diesem Donnerstag beginnen und zehn Tage dauern.
Sobald alle zugestimmt haben, kann Scholz vom Bundestag zum Kanzler gewählt werden. Dies sollte bis spätestens am 9. Dezember vollzogen sein, denn einen Tag später warten bereits wieder internationale Verpflichtungen auf den neuen Kanzler.
Am Tag der Kanzlerwahl wird das Kabinett von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ernannt und im Bundestag vereidigt. Voraussichtlich am gleichen Tag übernimmt Scholz die Amtsgeschäfte von Merkel. Einen Tag später folgt die Stabübergabe in den Ministerien.
Nach der Amtsübergabe wird schon bald die erste Arbeitssitzung des Kabinetts stattfinden, wobei Corona definitiv ein Thema sein dürfte.
Vorstellung im Ausland bei wichtigen Partnern: Die erste Adresse von Scholz dürfte nach eigenen Aussagen Paris sein. Damit tut er es seiner Vorgängerin gleich.
Auf den US-Präsidenten Joe Biden dürfte Scholz bereits am 10. Dezember treffen – an einem Videogipfel für Demokratie.
Der oder die neue Aussenministerin wird vom 10. bis am 12. Dezember am G7-Treffen in Liverpool teilnehmen. Im nächsten Jahr übernimmt Deutschland das Präsidium der Gruppe.
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