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Kommunalwahlen in Italien «Populistische Versprechen ziehen bei vielen Wählern nicht mehr»

Die Kommunalwahlen in Italien gelten als wichtiger Stimmungstest, auch bezüglich Corona-Politik. Die Zeichen stehen eher auf politisch stabile Verhältnisse – noch werden die Stimmen ausgezählt. SRF-Korrespondent Philipp Zahn mit einem ersten Zwischenfazit.

Philipp Zahn

Auslandredaktor

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Philipp Zahn ist Teil der TV-Auslandredaktion von SRF. Davor berichtete er als Korrespondent aus Italien, Griechenland und der Türkei. Zahn studierte Geschichte, Volkswirtschaft und Philosophie in Berlin und Siena.

SRF News: Was bedeuten die ersten Ergebnisse für die Regierungsarbeit von Ministerpräsident Mario Draghi – auch im Zuge der ganzen Covid-Krise?

Philipp Zahn: Querschläge von Matteo Salvini werden vorerst ausbleiben. Der Chef der Lega hat sich sehr stark gemacht für Covid-Gegner und -Skeptiker. All jene also, die den Entscheidungen der Regierung gegenüber sehr kritisch standen. Also die strengen Massnahmen wie dem Covid-Zertifikat, welches fast überall im öffentlichen Leben zum Zuge kommt. Diese Entscheidungen von Salvini haben sich am Ende nicht ausgezahlt. Die Lega hat nur an diesen Orten dazugewonnen, an welchen sie bereits vorher gewonnen hat. Das waren Bürgermeister und Bürgermeisterinnen, welche sich in den letzten eineinhalb Jahren mit dem Thema Corona herumschlagen mussten und schlussendlich für die Regierungen aus Rom standen.

Tiefe Wahlbeteiligung

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12 Millionen Italienerinnen und Italiener waren bis heute aufgerufen ihre Stimme abzugeben. Die Zeichen stehen eher auf politisch stabile Verhältnisse – noch werden die Stimmen ausgezählt.

Ein Ergebnis schon liefern diese zwei Wahltage: noch nie haben so wenige ihre Stimmen bei Kommunalwahlen in Italien abgegeben: ob Rom, Mailand, Turin oder Neapel – überall liegt die Wahlbeteiligung weit unter den Werten vor fünf Jahren.

Mitte-Links in Führung

In der Hauptstadt Rom verliert die bisherige Bürgermeisterin Virginia Raggi ihr Amt. Ihre ehemalige Protestbewegung Cinquestelle erleidet eine weitere Niederlage.

In Mailand setzte sich der Mitte-Links-Kandidat Giuseppe Sala als Amtsinhaber im ersten Wahlgang deutlich durch. Auch in den Grossstädten Neapel und Bologna feierten die Sozialdemokraten Erfolge.

In Turin lag der Mitte-Links-Kandidat ebenfalls vorn, muss nun aber in die Stichwahl.

Die Rechten dagegen verteidigten Triest und die Region Kalabrien.

Aber wie passt das zusammen mit einer niedrigen Wahlbeteiligung? Das Interesse an der Politik scheint ja eher überschaubar.

Das passt zusammen, wenn man überlegt, dass in den grossen Städten wie Turin oder Rom die Cinque Stelle über ein Drittel ihrer Stimmen eingebüsst hat. Viele Wähler, welche vor fünf Jahren die Cinque Stelle oder die Lega gewählt haben, sind nicht an die Urne gegangen. Die Lega hat in ihrem Kernland Mailand stark verloren. Das zeigt klar: Viele Menschen, welche in den letzten Jahren populistischen Slogans gefolgt waren, sind diesmal nicht wählen gegangen oder wollten etwas Sicheres wählen. Etwas Traditionelles, was auch für eine gewisse Kontinuität steht.

Rom ist ein Beispiel dafür, dass grosse Versprechen in den letzten fünf Jahren nicht eingehalten wurden.

Muss Cinque-Stelle-Bürgermeisterin Raggi deshalb ihr Amt abgeben?

Rom ist ein Beispiel dafür, dass grosse Versprechen in den letzten fünf Jahren nicht eingehalten wurden. Gerade bei der Cinque Stelle, welche nun überhaupt keine Regierungskompetenz mehr hat, nirgendwo mehr wirklich mitregieren kann. Populistische Versprechen ziehen bei vielen italienischen Wählern nicht mehr.

Das Gespräch führte Cornelia Boesch.

Tagesschau, 4.10.2021, 19:30 Uhr ; 

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