Zunächst gibt es Kaffee – wie so oft im Sudan. Eine Gruppe von Bauern sitzt im Schatten eines Mangobaumes. Ältere Männer in weissen langen Gewändern. Nur wenige Meter entfernt zieht der Blaue Nil vorbei. Äthiopiens Damm am Oberlauf des Flusses ist ein ständiges Thema bei den Bauern. Das Wasser ist ihre Lebensgrundlage.
Eigentlich wird am Freitag im Sudan nicht gearbeitet. Doch heute ist das anders – denn Bauer Ali Elsadiq hat einen Lastwagen mit Bohranlage bestellt. Damit kann er künftig das Grundwasser anzapfen.
Verheiratet mit dem Nil
Diskussionen und Sorgen sind allgegenwärtig. Man sei mit dem Fluss praktisch verheiratet, erklärt Bauer Adam Zahir: «Es ist mehr als eine Ehe, wir verbringen unser ganzes Leben hier, bis zu 15 Stunden am Tag. Mit den Bäumen und Kühen.»
Eine Scheidung hingegen ist nicht möglich. Die Frau könne man wechseln, aber den Fluss nicht, so Zahir. Gelächter zu einem ernsten Thema bricht aus.
Eine unberechenbare Lebensader
Zwei Drittel der bewässerten Landwirtschaft des Sudans liegt hier am Blauen Nil. Zwiebeln, Tomaten, Okraschoten wachsen auf den Feldern in der Nähe der Stadt Wad Madani. Dazwischen Mangos, Bananen und Orangen, im flachen Hinterland gedeiht auch Hirse und Sesam.
Äthiopiens neuer Staudamm sorgt auch bei Bauer Ali Elsadiq für schlaflose Nächte: «Natürlich habe ich Angst, denn wenn die Wassermenge abnimmt, dann trifft es uns alle.» Darum das neue Bohrloch. Die letzten Vorbereitungen zum Start der Pumpe laufen. So könnte Sadiq auch bewässern, wenn der Nil wenig Wasser führt.
Neben der Pump-Bewässerung setzt man im Sudan vor allem auf die jährlich wiederkehrenden natürlichen Fluten. Dann jedoch werden ganze Landstriche überschwemmt. Die Flut ist Fluch und Segen zugleich. Bauer Zahir erklärt, dass ein Freund von ihm 2500 Zitronenbäume verloren habe in der letzten Flut. Gleichzeitig machen die Sedimente im Wasser das Land fruchtbar.
Der Blaue Nil war immer unberechenbar. Mit dem neuen Staudamm in Äthiopien könnte diese Unberechenbarkeit noch zunehmen – fürchtet man am Unterlauf. Darum verlangen Sudan und Ägypten ein bindendes Abkommen mit Äthiopien über den Gebrauch des Nilwassers. Doch Äthiopien will nicht.
Am späten Nachmittag beginnt es plötzlich zu Summen auf Elsadiqs Feld. Die elektrische Pumpe ist angesprungen. Plötzlich schiesst Wasser aus dem Bohrloch. Die alten Männer springen auf, greifen zu ihren Hacken. Sie leiten das Wasser ins Kanalsystem zwischen den Gemüsebeeten.
Die Männer in ihren weissen Gewändern öffnen hier eine Schleuse, schliessen da eine andere. Jetzt arbeiten sie doch noch am Freitag. Und der Kaffee unter dem Mangobaum wird langsam kalt.