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Krieg der Worte in Washington «Trump will Demokraten in Amtsenthebungsverfahren locken»

Nancy Pelosi, die Chefin der US-Demokraten und Sprecherin des Repräsentantenhauses, stellt den Gesundheitszustand des Präsidenten Donald Trump in Frage. Nachdem Donald Trump bei einem Treffen mit ihr in Rage geraten sei und dieses abrupt abgebrochen habe, mache sie sich Sorgen um dessen Verfassung, sagte sie an einer Medienkonferenz. Trump reagierte prompt mit einer Retourkutsche und bezeichnete Pelosi als «durchgeknallt».

Die gehässige Tonlage weckt Ängste um den Zustand der amerikanischen Demokratie. Für US-Experte Josef Braml ist das alles nichts weiter als die nächste Schlacht in einem Krieg der Worte, der seit Jahren tobt.

Joseph Braml

Politologe und USA-Kenner

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Josef Braml ist USA-Experte der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP). Er ist Autor des Buches «Trumps Amerika – Auf Kosten der Freiheit». Aktuelle Analysen veröffentlicht er auch über seinen Blog .

SRF News: Wie deuten Sie Pelosis Worte über den Gesundheitszustand des Präsidenten?

Josef Braml: Sie versucht, in die Offensive zu gehen, weil sie aus den eigenen Reihen in die Defensive gedrängt wird. Vor allem jüngere Abgeordnete legen ihr nahe, das Amtsenthebungsverfahren gegen Trump einzuläuten. Pelosi macht das aus guten Gründen nicht.

Wer jetzt noch nicht gemerkt hat, dass dieser Präsident unkonventionell ist, sollte seine Betablocker, das Valium oder gleich alles zusammen absetzen.

Trotzdem muss sie Druck machen – auch verbal. Also spricht sie dem Präsidenten die Fähigkeit ab, das Amt auszuführen.

Trumps Charakter wird als wenig präsidial beschrieben, er wird als Narzisst hingestellt und von der Opposition kritisiert. Doch so scharf und auf den Mann gezielt, wie Pelosi es gemacht hat. Ist das eine neue Dimension?

Nein. Das ist mittlerweile Business as Usual. Wir haben uns inzwischen daran gewöhnt. Schon was Trump bei seiner Amtsantrittsrede gesagt hat, war wenig präsidial. Ich dachte nie, dass ich solche Dinge einmal aus dem Mund eines amerikanischen Präsidenten hören würde. Wer jetzt noch nicht gemerkt hat, dass dieser Präsident unkonventionell ist, sollte seine Betablocker, das Valium oder gleich alles zusammen absetzen.

Die Demokraten sprechen Trump die Fähigkeit für das Präsidentenamt ab. Gleichzeitig wollen Sie von einem Amtsenthebungsverfahren derzeit nichts wissen. Ist das kein Widerspruch?

In der Tat. Diesen Widerspruch muss Pelosi aushalten. Der Druck auf sie steigt kontinuierlich. Sie weiss sehr wohl, dass sie zwar ein Amtsenthebungsverfahren in der einen Kammer des Kongresses – im Abgeordnetenhaus – einläuten kann. Das würde dann eröffnet und sich in bis die heisse Phase des Wahlkampfes im nächsten Jahr hinziehen.

Trump ist nur ein Indiz dieser tieferliegenden strukturellen Veränderungen in dem Land der Freien.

Letzten Endes würde der Senat das Verfahren aber abschmettern. Dort haben nach wie vor die Republikaner die Oberhand. Deswegen versucht er auch, die Demokraten mit vielen Initiativen in ein Amtsenthebungsverfahren hineinzulocken.

Ist dieser verbale Krieg bereits ein Vorbote für einen sehr gehässigen Präsidentschaftswahlkampf?

Noch gehässiger geht es kaum. Trump hat schon in der Vergangenheit in chauvinistischer Weise gegen Latinos und Muslime ausgeteilt. Auch sein Verhalten gegenüber Frauen gefällt nicht vielen Frauen. Oder er meinte, er könne an der Fifth Avenue jemanden erschiessen und seine Wähler würden trotzdem nicht von ihm abrücken.

Man sollte den Blick etwas von Trump wegnehmen und in das grosse Land inmitten dieser beiden herrlichen Küsten blicken. Amerika ist anders, und es hat sich auch verändert. Trump ist nur ein Indiz dieser tieferliegenden strukturellen Veränderungen in dem Land der Freien.

Das Gespräch führte Antonia Moser.

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