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Der heisse Draht im Kalten Krieg – und heute
Aus SRF 4 News aktuell vom 10.03.2022. Bild: Keystone-SDA
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Krieg in der Ukraine «Der heisse Draht verhindert Schlimmeres»

«Heisser Draht» oder «rotes Telefon»: Der Name steht für einen direkten Kommunikationskanal zwischen den USA und Russland, der im Kalten Krieg eine grosse Bedeutung hatte. Washington und Moskau konnten so schnell und direkt miteinander sprechen. Diese militärische Hotline zwischen den beiden atomaren Supermächten ist nun wegen des Kriegs in der Ukraine reaktiviert worden. Experte Wolfgang Richter erklärt, wie sie funktioniert.

Wolfgang Richter

Wolfgang Richter

Sicherheitsexperte

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Wolfgang Richter ist Sicherheitsexperte beim Geneva Center for Security Policy. Davor war er Sicherheitsexperte bei der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. Er ist ehemaliger Oberst der deutschen Bundeswehr und war langjähriger Vertreter Deutschlands bei der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) und bei der UNO.

SRF News: Wie funktioniert der sogenannte heisse Draht?

Wolfgang Richter: Der heisse Draht wird über verschlüsselte Internetverbindungen gehalten, die aber nicht mit anderen Internetverbindungen vernetzt sind. Sie haben eine besondere eigene hochqualifizierte Glasfaserlinie. Sie verfügen über eine Verschlüsselung, die auf dem höchsten Stand der Technik ist.

Der heisse Draht verbindet den Lageraum des Präsidenten der USA mit dem Kreml, wo der russische Präsident ist.
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Dieser heisse Draht ist zunächst mal ein politischer heisser Draht. Er verbindet den Lageraum des Präsidenten der USA mit dem Kreml, wo der russische Präsident ist. Dieser heisse Draht ist entstanden, um eine Missdeutung nuklearer Aktivitäten zu vermeiden, damit kein Atomkrieg entsteht. Unterhalb dieser Ebene gibt es aber die unmittelbaren Verbindungen zwischen militärischen Hauptquartieren, die dazu dienen, generell militärische Zwischenfälle zu vermeiden oder, wenn sie denn passieren, zu deeskalieren.

In Betrieb genommen wurde dieser heisse Draht im Kalten Krieg 1962. Warum?

Die Sowjetunion lieferte Mittelstreckenraketen nach Kuba. Aus Sicht der USA war dies eine Bedrohungslage, weil die Reichweite der Waffen es erlaubt hätten, innerhalb von zehn Minuten in New York zu sein.

Die Kuba-Krise 1962

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Die Welt steht im Oktober 1962 am Rande eines Atomkriegs. Die Kuba-Krise gilt als die gefährlichste Situation im Verlauf des Kalten Krieges.

Mit dem Sturz der US-freundlichen Regierung in Kuba im Jahr 1959 durch den Kommunisten Fidel Castro kann die Sowjetunion diplomatische Beziehungen zu Kuba aufnehmen. Ab Juli 1962 stationiert die Sowjetunion unter anderem Atomraketen auf Kuba. Die USA beschliessen daraufhin eine Seeblockade. Im Oktober 1962 will ein sowjetischer Frachter mit vier U-Booten als Begleitschutz die Seeblockade durchdringen. Dass die U-Boote mit nuklearen Sprengköpfen bestückt sind, wissen die USA nicht. Die USA greifen die U-Boote mit Übungswasserbomben an.

Die Mehrzahl der Kapitäne der U-Boote drängt darauf, sofort zurückzufeuern. Das hätte wahrscheinlich zu einer Eskalation geführt. Wasili Archipow, Stabschef der 69. U-Boot-Brigade der Nordmeerflotte, bewahrt aber einen kühlen Kopf. Er befiehlt, aufzutauchen und sich mit den Amerikanern auszutauschen. 55 Jahre nach dieser mutigen Entscheidung wird der 1998 verstorbene Archipow geehrt.

Es war genau die Krisenlage, die es brauchte, um später solche Zwischenfälle zu vermeiden. Der heisse Draht wurde später auf andere Staaten ausgeweitet. Er hat dazu geführt, generell militärische Zwischenfälle zu verhindern.  

Bei dieser militärischen Hotline geht es vor allem darum, schnell eine Antwort der Gegenseite zu erhalten?

Nicht nur darum, rasch eine Antwort aufgrund der eigenen Aktivitäten zu erhalten, sondern auch darum, vorbereitend sagen zu können: «Wir machen jetzt dies und dies. Das tun wir aber nur zur Erhöhung unseres eigenen Schutzes. Es ist nicht gegen euch gerichtet.» Man erklärt die eigenen Massnahmen. Schon 1969 im israelisch-arabischen Krieg und in den anderen Kriegen wurde dies gebraucht. Auch zwischen Indien und Pakistan gab es immer wieder eine Aktivierung dieser Linien, nicht um einen unmittelbar bevorstehenden nuklearen Schlag etwa abzuwenden, sondern um zu erklären, was die jeweilige Seite tut. So kann man sich bemühen, diese Krisen im Griff zu behalten und nicht zu eskalieren.

Das sogenannte rote Telefon verhindert die Ausweitung zu einem europäischen oder gar zu einem weltweiten Krieg.
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Kann der heisse Draht dazu beitragen, den Konflikt in der Ukraine zu entschärfen?

Ich bezweifle, dass er dazu beiträgt, den Konflikt zu entschärfen. Er kann aber dazu beitragen, dass keine Deutungen entstehen, die den Konflikt ausweiten würden und dass sich der Konflikt zu einem Nato-Russland-Konflikt entwickelt. Dafür ist genau diese militärische Verbindung essenziell. Man hat militärische Bewegung jederzeit unter Kontrolle und kann sie der anderen Seite erklären. Wenn etwas passiert, kann man deeskalieren. Insofern löst der heisse Draht das ukrainische Problem nicht, aber er verhindert Schlimmeres. Das sogenannte rote Telefon verhindert die Ausweitung zu einem europäischen oder gar zu einem weltweiten Krieg.

Das Gespräch führte Manuel Ramirez.

SRF 4 News, 10.03.2022, 06:11 Uhr;

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