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Ukraine: Schweizer NGO FSD in Charkiw von Rakete getroffen
Aus Tagesschau vom 24.07.2024.
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Krieg in der Ukraine Die Lage in der Ukraine – die Übersicht

Die militärische Lage

Die ukrainischen Streitkräfte sind im Osten des Landes nach Darstellung von Präsident Wolodimir Selenski schwer unter Druck. Vor allem die Lage rund um Pokrowsk im Gebiet Donezk sei von der Militärführung gründlich analysiert worden, sagte Selenski in seiner allabendlichen Videoansprache am Freitag. «Dieses Gebiet war und ist nach wie vor der Schwerpunkt der russischen Angriffe.»

Soldat hält sich die Ohren zu, Explosion im Hintergrund.
Legende: Ein ukrainischer Soldat feuert eine Panzerhaubitze auf russische Truppen in der Region Donezk. (Bild: 20.07.2024) Reuters / Oleg Petrasiuk/Pressedienst 24. König-Danylo-Brigade

Russland hat in der Nacht auf Freitag erneut die Energieinfrastruktur der Ukraine angegriffen. Die Luftabwehr habe 20 von 22 Angriffsdrohnen abgeschossen, teilte das ukrainische Militär mit. Die meisten Drohnen seien in den Regionen Cherson im Süden sowie Sumy, Schytomyr und Tschernihiw im Norden abgeschossen worden. In Tschernihiw wurden den Behörden zufolge bei einem Angriff auf die Stadt Nischyn einige Infrastruktureinrichtungen und ein Wohnheim beschädigt. Einzelheiten wurden zunächst nicht genannt.

Auf der Gegenseite gab es am Freitag auch mehrere Explosionen auf der seit 2014 von Russland annektierten Krim. Auf Videos ist ein grösserer Brand zu sehen. Das ukrainische Militär hat nach eigenen Angaben einen russischen Militärflugplatz auf der Krim beschossen. Das russische Verteidigungsministerium hat den Angriff nicht kommentiert, sondern nur den Abschuss von Drohnen über den Gebieten Rostow und Kursk gemeldet.

Die Ukraine meldete bereits am Donnerstag einen grösseren russischen Drohnenangriff. Russland habe in der Nacht mit 38 Angriffsdrohnen vom iranischen Typ Schahed mehrere Landesteile attackiert, darunter Gebiete in der südlichen Region Odessa und in der Zentralukraine, teilte Luftwaffenchef Mykola Oleschtschuk mit. 25 dieser Drohnen seien von der Luftabwehr abgeschossen worden.

Büro der Schweizer NGO FSD in Charkiw stark beschädigt

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Legende: EPA/SERGEY KOZLOV

Das Büro der Schweizer Fondation suisse de déminage (FSD) in der ukrainischen Stadt Charkiw ist am frühen Mittwochmorgen bei einem Angriff von einer Rakete getroffen worden. Laut der Mitteilung der FSD sind dabei keine Mitarbeitenden der NGO getötet oder verletzt worden.

Das Gebäude wurde laut der Mitteilung erheblich beschädigt, ebenso wie einige Fahrzeuge und Ausrüstungen. Zurzeit bemühten sich die Verantwortlichen, dass die Arbeit so schnell wie möglich wieder aufgenommen werden könne, schrieb die FSD.

Das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) verurteilte den russischen Beschuss. Angriffe gegen zivile Infrastrukturen seien ein Verstoss gegen das humanitäre Völkerrecht, teilte das EDA auf Anfrage mit. Das Aussendepartement will diese Haltung in den internationalen Gremien zum Ausdruck bringen.

Die Fondation suisse de déminage (Stiftung für Minenräumung) hat ihren Sitz in Genf. Sie ist nach eigenen Angaben weltweit tätig und beschäftigt 800 Personen. Ihre Aufgabe ist es, Minen zu finden und unschädlich zu machen. Ausserdem leistet sie Aufklärungsarbeit.

Der ukrainische Donauhafen Ismail in der Region Odessa, der am Donnerstag in der zweiten Nacht in Folge angegriffen wurde, liegt nahe an der rumänischen Grenze. Laut Regionalgouverneur Oleh Kiper wurden dort zwei Menschen verletzt, als Trümmer abgeschossener Drohnen ein Privathaus im Bezirk Ismail trafen.

Nach den Angriffen auf den Donauhafen sind in Rumänien an der Grenze zur Ukraine erneut Reste russischer Drohnen gefunden worden. Rumänien habe seine Nato-Partner bereits über den Fund nahe dem Dorf Plauru am nördlichen Donau-Arm Chilia informiert, schrieb Rumäniens Aussenministerin Luminita Odobescu auf der Platfform X. Die Trümmer stammen nach Angaben des Verteidigungsministeriums von einer Drohne vom Typ Geran 1/2, mit der Russland in der Nacht auf Mittwoch angegriffen habe.

In der nördlichen Region Schytomyr beschädigten am Donnerstag den Behörden zufolge Drohnentrümmer zehn Privathäuser und eine Infrastruktureinrichtung. Auch die Hauptstadt Kiew wurde wieder angegriffen. Hier habe die Luftabwehr aber alle Drohnen bereits im Anflug zerstört, sagte der Chef der Kiewer Militärverwaltung, Serhij Popko.

Geheimdienst: Fährangriff verschärft Russlands Logistikprobleme

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Der Drohnenangriff auf eine russische Eisenbahnfähre verschärft nach britischer Einschätzung die Logistikprobleme Russlands. «Der Angriff wird Russland mit ziemlicher Sicherheit weitere logistische Probleme bei der Belieferung seiner Besatzungstruppen in der Südukraine und dem regionalen Export von Flüssiggas bereiten», teilte das britische Verteidigungsministerium am Donnerstag mit.

Die Fähre gilt als eine wichtige Verbindung zu der von Russland annektierten Schwarzmeer-Halbinsel Krim. Die Brücke nach Kertsch auf der Krim ist wegen Luftalarms immer wieder zeitweilig gesperrt, deshalb Fähren oft zum Einsatz kommen.

Seien solche Fähren auch nur vorübergehend nicht betriebsfähig, bedeute dies höhere Kosten und weniger Flexibilität beim Transport von Treibstoff, Munition und Equipment, teilte London am Donnerstag mit.

Diplomatie, Sanktionen und Unterstützung

Ungarn rechnet laut eigenen Angaben ab September mit Treibstoffengpässen, wenn die russischen Ölströme nicht wiederhergestellt werden. Wegen des verhängten Öl-Embargos gegen Russland erhalten die EU-Mitglieder Ungarn und Slowakei keine Lieferungen des russischen Konzerns Lukoil. Auch die Slowakei war am Freitag im Gespräch mit der ukrainischen Regierung bezüglich russischer Öllieferungen.

Die EU hat am Freitag erstmals Zinserträge aus eingefrorenem russischen Staatsvermögen für die Verteidigung und den Wiederaufbau der Ukraine freigegeben. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kündigte eine Überweisung in Höhe von 1.5 Milliarden Euro an.

Neue Wortmeldungen der russischen und ukrainischen Führung machen deutlich, wie hoch die Hürden für mögliche Friedensgespräche für ein Ende des russischen Krieges in der Ukraine sind. Beide Seiten zeigen sich offen für Verhandlungen – knüpfen daran aber Bedingungen. Offiziell liegen die von beiden Seiten geäusserten Bedingungen bisher weit auseinander.

Das sagen die beiden Seiten zum Verhandlungsprozess

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Das ukrainische Aussenministerium teilte am Donnerstag mit, es gebe Bereitschaft zu einem Verhandlungsprozess mit der russischen Seite, sobald Moskau zu aufrichtigen Verhandlungen bereit sei. Zugleich meinte Aussenminister Dmytro Kuleba, dass es eine solche Bereitschaft auf russischer Seite derzeit nicht gebe. Es brauche einen gerechten und dauerhaften Frieden, sagte er.

Kremlsprecher Dmitri Peskow sagte wiederum, im Moment gebe es verschiedene Äusserungen aus Kiew, die nicht ganz verständlich seien. «Russland ist insgesamt offen für einen Verhandlungsprozess, aber zuerst muss man verstehen, inwieweit dazu die ukrainische Seite bereit ist und inwieweit sie dazu die Erlaubnis ihrer Kuratoren hat», sagte Peskow. Russland sieht die ukrainische Führung als «Marionette» westlicher Strippenzieher.

Das Grundgerüst für den geplanten Mega-Kredit der G7-Länder an die Ukraine soll nach EU-Angaben bis Oktober stehen. Dies sagte EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni in Rio de Janeiro am Donnerstag. «Ich denke, wir machen sehr guten Fortschritt.» Die Finanzminister der G7-Staaten hätten daran am Mittwoch gearbeitet.

Unklarheiten bezüglich des Mega-Kredits

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Im Juni hatten sich die G7 – die USA, Kanada, Japan, Deutschland, Frankreich, Italien und Grossbritannien – geeinigt, den 50 Milliarden Dollar schweren Kredit möglich machen zu wollen. Viele Details sind aber noch unklar. Für den Kredit sollen Erträge aus eingefrorenen russischen Vermögenswerten genutzt werden. Die russischen Gelder sollen aber nicht eingezogen werden. Hierzu gab es rechtliche Bedenken der Europäer im G7-Kreis.

Der ukrainische Aussenminister Dmytro Kuleba forderte bei einem Besuch in Hongkong den dortigen Regierungschef John Lee auf, Russland daran zu hindern, Hongkong als Mittel zur Umgehung westlicher Sanktionen zu nutzen. Dies teilte das ukrainische Aussenministerium in einer Erklärung mit.

Die Regierung von Hongkong erklärte in einer Antwort per E-Mail an Reuters, dass sie die Sanktionen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen «umsetzt und streng durchsetzt» werden würden. Sowohl Hongkong als auch China werden von der US-Regierung als Schlüsselrouten für die Beschaffung von Materialien für das russische Militär, einschliesslich Halbleitern und Drohnenteilen, angesehen. Nach bisher unveröffentlichten Daten des US-Handelsministeriums gilt Hongkong nach wie vor als ein globaler Hotspot für die Umgehung von Sanktionen.

Geflüchtete und Kriegsopfer

Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski hat Ende Februar die Zahl der getöteten Soldaten seiner Streitkräfte mit 31'000 angegeben. Diese Zahl ist die erste offizielle Nennung von Opferzahlen des Militärs im seit über zwei Jahren andauernden Krieg gegen die russische Invasion.

Über 40'000 Menschen laut ukrainischem Innenministerium vermisst

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In der von Russland angegriffenen Ukraine werden Mitte Juli nach Angaben des Innenministeriums etwa 42'000 Menschen vermisst. Dazu zählen Soldaten wie Zivilisten.

Der Stand sei mit 51'000 Vermissten zwischenzeitlich noch höher gewesen, sagte der zuständige Abteilungsleiter Dmytro Bohatjuk der staatlichen Nachrichtenagentur Ukrinform in Kiew. Bei etwa 4000 im Gefecht vermissten Soldaten seien aber später die Leichen gefunden und identifiziert worden. 3000 Vermisste seien lebend aufgespürt worden. Das seien in vielen Fällen Kriegsgefangene, sagte Bohatjuk.

Im Gegensatz dazu sprach der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz am 24. Juli von 350'000 getöteten oder schwer verletzten russischen Soldaten. Es sind nach unseren Informationen – so genau weiss man das nicht – 350'000 russische Soldaten entweder gestorben oder schwer verletzt worden», so der Kanzler. Bereits Mitte März sprach Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg davon, dass die Zahl der getöteten oder verwundeten russischen Soldaten inzwischen die Marke von 350'000 überschritten habe. Die Amerikaner schätzten die Zahl Mitte Februar bei 315'000 Soldaten.

Laut den ukrainischen Streitkräften hat Russland 572'300 Soldaten verloren (Stand 26. Juli 2024). Die Zahl beinhaltet getötete sowie schwer verletzte Soldaten. Unabhängig lassen sich die Angaben der Kriegsparteien nicht überprüfen.

Seit Russlands Einmarsch am 24. Februar 2022 hat die UNO in der Ukraine mindestens 11'284 getötete Zivilistinnen und Zivilisten registriert – darunter fast 600 Kinder. Weitere 22’594 Zivilisten seien seit Beginn der russischen Invasion verletzt worden (Stand 10. Juli 2024). Die UNO zählt nur Fälle, die sie bestätigen konnte.

Umgekehrt seien in der russischen Region Belgorod seit Beginn des Ukraine-Kriegs laut den örtlichen Behörden 120 Zivilisten bei ukrainischen Angriffen getötet worden, darunter elf Kinder. 651 Menschen seien verletzt worden.

Glückskette ruft zu Spenden für die Ukraine auf

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Angesichts der humanitären Krise in der Ukraine sammelt die Glückskette Spenden für die betroffene ukrainische Bevölkerung. Millionen Menschen – vor allem Kinder, Frauen und ältere Menschen – sind bereits geflohen und suchen Zuflucht in den Nachbarländern oder in Gebieten im Landesinnern, die von Kämpfen verschont geblieben sind. Die Glückskette unterstützt geflüchtete Menschen über ihre Partnerorganisationen innerhalb der Ukraine, den Nachbarländern Polen, Rumänien, Moldawien und Ungarn sowie in der Schweiz.

Spenden können unter www.glueckskette.ch oder auf das Postkonto 10-15000-6, Vermerk «Krise in der Ukraine», getätigt werden.

6'021'400 Menschen haben seit Kriegsbeginn die Ukraine verlassen und Schutz in europäischen Ländern gesucht, weltweit sind es 6'579'700 Geflüchtete (Stand 15. Juli 2024). Das teilte das Flüchtlingshilfswerk der UNO (UNHCR) mit. Die Zahl der Binnenflüchtlinge wird auf 4 Millionen beziffert, davon 1 Million Kinder. (Stand 15. Juli 2024).

66'102 Personen, die wegen des Kriegs gegen die Ukraine in die Schweiz geflüchtet sind, haben einen Schutzstatus S. Das teilte das Staatssekretariat für Migration (SEM) mit (Stand 18. Juli 2024). Bei insgesamt 26'132 Personen wurde der Status S beendet.

Wie prüft SRF die Quellen in der Kriegsberichterstattung?

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Die Informationen zum Ukraine-Krieg sind zahlreich und zum Teil widersprüchlich. Die verlässlichsten Quellen sind eigene Journalistinnen und Reporter anderer Medien vor Ort, denen man vertrauen kann. Weitere wichtige Quellen sind Augenzeugen – also Menschen vor Ort, die Eindrücke vermitteln können.

Besonders zu hinterfragen sind Informationen von Kriegsparteien. Denn alle Kriegsparteien machen Propaganda – in diesem Angriffskrieg vor allem die russischen, offiziellen Quellen. Die Aussagen der Kriegsparteien ordnen wir entsprechend ein. Grundsätzlich gilt bei SRF: Je schwieriger und unzuverlässiger die Quellenlage, desto wichtiger ist Transparenz. Umstrittene Fakten und Informationen, die nicht unabhängig überprüfbar sind, werden als solche kenntlich gemacht.

Krieg in der Ukraine

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Tagesschau, 24.7.2024, 19:30 Uhr ; 

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