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Krieg in der Ukraine Russlands Ankündigung der Referenden ist eine fatale Entscheidung

Die russische Militärverwaltung hat in den besetzten Gebieten Luhansk, Donezk, Cherson und Saporischja Referenden über einen Beitritt zu Russland angesetzt. Das ist eine krasse Eskalation vonseiten des Kreml. Es ist klar, dass Russland damit auf die militärischen Niederlagen der letzten Wochen – wie die Niederlage bei Charkiw – reagieren will. Was konventionelle Militärstreitkräfte betrifft, sieht der Kreml also ein, dass er militärisch nicht mehr viel ausrichten kann. Deshalb greift er mit dieser Annexion zu einer Art Trick.

Das Kalkül ist wohl zu sagen, es gibt in diesen Regionen «Abstimmungen» – und man weiss jetzt schon, dass eine überwältigende Anzahl Ja-Stimmen vom Kreml kommuniziert werden wird. Selbstverständlich haben diese Referenden nichts mit einer richtigen Abstimmung zu tun und sind mutmasslich schwer gefälscht.

Abstimmungen als Drohung an Ukraine

Aber Russland kann dann von russischem Territorium sprechen – was bedeuten würde, dass weitere ukrainische Angriffe auf Luhansk, Donezk und andere Gebiete dann quasi Angriffe auf russisches Staatsgebiet wären. Und ein Angriff auf russisches Territorium ist laut russischem Verständnis auch ein Grund, um entweder eine Generalmobilmachung auszurufen oder mit dem Einsatz von Massenvernichtungswaffen, wie Atomwaffen, zu drohen. Dieser Trick ist eine Verzweiflungstat, weil den Russen und Putin die Optionen ausgehen.

Momentan befindet man sich im Stadium einer Drohung – es ist sozusagen ein Zug, um dieses Drohpotenzial zu schaffen. Die Frage ist, wenn es wirklich so weit kommt, wie die Ukrainer darauf reagieren. Die Vermutung liegt nahe, dass sich die Ukrainer davon nicht einschüchtern lassen und weiter militärisch vorgehen werden. Sie haben auch in den letzten Tagen in der Region Luhansk und Donezk Ortschaften zurückerobert.

Kreml setzt auf Eskalation

Alle Militärexperten sagen, dass die Russen konventionell immer schwächer werden und die Ukrainer tendenziell immer stärker. Der Kreml versucht irgendwie aus dieser verzweifelten Lage herauszukommen – und zwar nicht, indem er sozusagen ein Stück zurückweicht oder deeskaliert, sondern im Gegenteil eskaliert.

Für Russland ist die Ankündigung der Referenden deshalb eine ungeheure, fast fatale Entscheidung. Wenn Putin tatsächlich so weit gehen sollte, die Gebiete als russisches Territorium zu bezeichnen, würde dies international nicht anerkannt. Ein solcher Schritt würde Russland über Jahre in die Tiefe ziehen, die Beziehungen zum Westen wirtschaftlich schwer schädigen und das Land militärisch aufzehren.

Putin tritt also ein weiteres Mal als Taschenspieler auf – aber die Tricks der Taschenspieler sind immer nur so gut, wie seine Karten sind. Und diese sind nicht sehr gut.

David Nauer

Ukraine- und Russland-Korrespondent

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David Nauer ist Ukraine- und Russland-Korrespondent bei SRF TV. Von 2016 bis 2021 war er als Radio-Korrespondent in Russland tätig. Zuvor war er Russland-Korrespondent des «Tages-Anzeigers». Nauer reist seit Beginn des russischen Angriffskriegs regelmässig in die Ukraine.

Hier finden Sie weitere Artikel von David Nauer und Informationen zu seiner Person.

SRF 4 News, 20.09.2022, 15:00 Uhr

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