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Krieg in der Ukraine «Seit die Russen Bachmut angreifen, sterben mehr Soldaten»

Der Krieg in der Ukraine fordert täglich Opfer, seitdem Russland am 24. Februar 2022 die Ukraine angegriffen hat. Die Verluste müssen hoch sein. Doch die Zahl der Toten und Verletzten ist unklar – auf beiden Seiten.

Es kursieren unterschiedliche Zahlen und unterschiedliche Schätzungen, je nachdem, aus welcher Quelle die Angaben stammen. Denn mit Opferzahlen kann auch Propaganda betrieben werden. SRF Ausland-Redaktor David Nauer erklärt, welchen Zahlen er am ehesten vertraut.

David Nauer

Ukraine- und Russland-Korrespondent

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David Nauer ist Ukraine- und Russland-Korrespondent bei SRF TV. Von 2016 bis 2021 war er als Radio-Korrespondent in Russland tätig. Zuvor war er Russland-Korrespondent des «Tages-Anzeigers». Nauer reist seit Beginn des russischen Angriffskriegs regelmässig in die Ukraine.

Hier finden Sie weitere Artikel von David Nauer und Informationen zu seiner Person.

SRF News: Wie hoch sind die Verluste bei den beiden Kriegsparteien?

David Nauer: Realistisch ist, dass die Russen etwa 200'000 Mann verloren haben, davon sind etwa 40'000 gefallen und 160'000 verwundet worden. Die ukrainischen Verluste sind kleiner, aber ebenfalls horrend. Verwundet wurden über 100'000 ukrainische Soldaten, gefallen sind vielleicht 15'000 bis 20'000 Ukrainer.

Die USA sind zwar nicht neutral. Dennoch sind die Angaben glaubhaft, weil sie nicht für die Öffentlichkeit bestimmt waren.

Auf welche Quellen stützen Sie sich?

Die wohl genauesten Angaben haben wir aus geheimen Dokumenten des US-Militärs, die geleakt wurden. Die Zahlen, die ich genannt habe, stammen von dort und sie scheinen mir realistisch. Zwar sind die USA nicht neutral, doch die Angaben sind glaubhaft, weil sie nicht für die Öffentlichkeit bestimmt waren, also nicht propagandistisch verzerrt sind.

Die Angaben sind glaubhaft, weil sie nicht für die Öffentlichkeit bestimmt waren.

Schaut man nämlich, was die Kriegsparteien kommunizieren, dann hat das offenkundig wenig mit der Realität zu tun. Die Russen meldeten zuletzt knapp 6000 Gefallene. Das kann nicht stimmen. Die Ukrainer sagen, ihre Verluste insgesamt lägen unter 50'000 – eine sehr schwammige Angabe. Beide Staaten behandeln diese Information ohnehin als Staatsgeheimnis.

Erkennen Sie eine Dynamik bei den Opferzahlen? Gibt es Phasen mit auffallend höheren Zahlen?

Ja, die gibt es. Medienschaffende der BBC und des russischen Exilmediums Mediazone suchen im Internet gezielt nach Meldungen über gefallene Russen; etwa, wenn Angehörige in sozialen Netzen schreiben, ihr Bruder oder Sohn sei gefallen.

Seit die Russen Bachmut heftig angreifen, sterben deutlich mehr Soldaten als vorher.

Und daraus geht klar hervor, dass die Todeszahlen ab Anfang Jahr stark zugenommen haben. Das fällt mit dem russischen Grossangriff auf die Stadt Bachmut zusammen. Seit die Russen dort heftig angreifen, sterben deutlich mehr Soldaten als vorher.

Gemäss Ihren Angaben hat Russland deutlich mehr Tote und Verletzte zu beklagen als die Ukraine. Was sagt das über die Kriegsführung und über die medizinische Versorgung auf dem Feld aus?

Erstens hat der Angreifer in einem solchen Krieg meist höhere Verluste. Die Verteidiger sitzen in ihren Stellungen, die Angreifer müssen raus aus der Deckung und vorrücken. Das ist gefährlich.

Ist ein russischer Soldat verletzt, sind seine Überlebenschancen geringer.

Es ist aber auch so, dass die Russen ohne Rücksicht auf Verluste kämpfen, vor allem die Söldnergruppe Wagner hat zum Teil ihre Kämpfer – Welle um Welle – in den sicheren Tod geschickt. Und ist ein russischer Soldat verletzt, sind seine Überlebenschancen auch geringer: Auf einen toten Russen kommen grob geschätzt vier Verwundete. Bei den Ukrainern ist das Verhältnis eins zu sieben.

Das Gespräch führte Iwan Lieberherr.

Echo der Zeit, 10.05.2023, 18:00 Uhr ; 

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