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Krieg in der Ukraine So will die Türkei die Getreideblockade lösen

Die türkische Regierung empfängt heute den russischen Aussenminister Sergej Lawrow. Sie will zwischen Russland und der Ukraine vermitteln, damit die Getreideexporte nach Afrika und in den Nahen Osten trotz des russischen Angriffskriegs erfolgen können. Dabei gebe es aber noch viele ungelöste Fragen, weiss der in Istanbul lebende Journalist Thomas Seibert.

Thomas Seibert

Journalist in der Türkei

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Thomas Seibert verdiente sich seine journalistischen Sporen bei der «New York Times» und den Nachrichtenagenturen Reuters und AFP, bevor er 1997 als freier Journalist in die Türkei ging. Nach einem kurzen Zwischenhalt als Berichterstatter in den USA kehrte er im Juni 2018 nach Istanbul zurück.

SRF News: Die Türkei hat die Idee eines Getreidekorridors im Schwarzen Meer lanciert – was ist damit gemeint?

Thomas Seibert: Der Minengürtel, der die ukrainischen Hafenstädte vor russischen Angriffen schützt, soll an ein oder zwei Stellen geräumt werden, damit die Getreideschiffe die Häfen anlaufen können. Die Frachter sollen auf ihren Fahrten sodann militärisch eskortiert werden. So soll ein grosser Teil der rund 20 Millionen Tonnen Getreide in ukrainischen Silos auf den Weltmarkt gebracht werden. Sowohl die Ukraine als auch Russland begrüssen die Idee.

Russland macht Ukraine verantwortlich

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Der russische Aussenminister Sergej Lawrow hält den Export des blockierten ukrainischen Getreides auf dem Seeweg für möglich – falls die Ukraine die Zugänge zu ihren Häfen entmine. Das sagte Lawrow am Mittwoch nach einem Treffen mit dem türkischen Aussenminister Mevlüt Cavusoglu. Lawrow macht die Ukraine selber dafür verantwortlich, dass keine Getreidefrachter passieren können. Die russischen Streitkräfte würden die Situation auch nicht für ihre Zwecke ausnutzen, betonte der russische Aussenminister. «Das sind Garantien des Präsidenten Russlands», sagte er bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Cavusoglu in Ankara. Konkrete Ergebnisse wie etwa die Einrichtung eines Sicherheitskorridors brachte das Treffen nicht.

Fakt ist: Seit Beginn des Angriffskriegs Russlands auf die Ukraine blockieren russische Kriegsschiffe die ukrainischen Schwarzmeer-Häfen. Die Ukraine, weltweit der viertgrösste Getreideexporteur, sitzt deshalb auf rund 25 Millionen Tonnen Getreide fest. (Agenturen)

Was könnte ihrer Verwirklichung noch im Weg stehen?

Die Kriegsparteien misstrauen sich aufs Äusserste. Beide Seiten haben die jeweils andere im Verdacht, die Situation ausnutzen zu wollen.

Die beiden Kriegsparteien misstrauen sich aufs Äusserste.

Die Ukraine befürchtet, dass die Russen die von Minen geräumten Gebiete für Angriffe nutzen könnten. Russland sagt, die Frachter könnten Waffen in die Ukraine bringen, wenn sie die Häfen für das Beladen mit Getreide anlaufen. Andere ungelöste Fragen betreffen etwa eine mögliche Koordination der Getreidefahrten durch eine Einsatzzentrale der UNO in Istanbul.

Gespräche auch über Syrien

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Lawrow.
Legende: Keystone

Lawrow wird bei seinem Besuch in Ankara von Vertretern des russischen Verteidigungsministeriums begleitet. Denn bei den Gesprächen geht es wohl auch um Syrien: Der türkische Präsidend Recep Tayyip hat eine neue Offensive in Nordsyrien gegen die kurdischen Kämpfer von PKK und YPG angekündigt. Allerdings sind in den fraglichen Gebieten auch russische Truppen stationiert – da gibt es viel zu besprechen zwischen Ankara und Moskau.

Wie geeignet ist die Türkei, um das grosse Misstrauen zwischen der Ukraine und Russland auszuräumen?

Die Türkei ist einer der wenigen Staaten in der Region, der mit beiden Seiten gute Beziehungen hat – so hatten im März Verhandlungen zwischen ukrainischen und russischen Vertretern für eine mögliche Beendigung des Kriegs in der Türkei stattgefunden.

Die Türkei ist einer der wenigen Staaten, der mit beiden Seiten gute Beziehungen hat.

Ausserdem hat das Land eine recht schlagkräftige Kriegsmarine, die durchaus in der Lage wäre, die Eskorten für die Getreideschiffe zu stellen.

Was brächte es der Türkei, wenn sie zur Schutzmacht der Getreidefahrten würde?

Es geht für sie vor allem um aussenpolitisches Renommee. Die Türkei präsentiert sich als einziges Nato-Land, das im Krieg vermitteln kann – ein wichtiges Signal auch an die Nato, mitten im Streit um die Aufnahme von Finnland und Schweden.

Die Ukraine wirft Russland vor, Getreide gestohlen und teilweise an die Türkei verkauft zu haben. Was ist an diesen Vorwürfen dran?

Die Türkei hat die Vorwürfe auf jeden Fall nicht dementiert. Demnach sollen türkische Abnehmer von den Russen stark verbilligtes Getreide gekauft haben, das deshalb so günstig war, weil es aus ukrainischen Silos gestohlen war. Auch deshalb wäre es für die Türkei wichtig, eine Lösung beim Getreideexport zu ermöglichen – um sich aus der peinlichen Situation zu befreien, Geschäfte mit von Russen gestohlenem Getreide zu machen.

Karte mit Schwarzem Meer
Legende: Laut Deutscher Welle werden für die Verladung ukrainischen Weizens konkret drei Häfen in Betracht gezogen: Odessa, Tschornomorsk und Juschne. Der Korridor soll durch das Schwarze Meer bis nach Istanbul am Bosporus verlaufen. SRF

In Ankara wird nun also Russlands Aussenminister Lawrow erwartet – wieso fehlt die ukrainische Seite bei den Gesprächen?

Die Türkei sagte, sie habe die Pläne ausführlich mit Präsident Wolodimir Selenski besprochen, ausserdem verfolge die ukrainische Botschaft in Ankara das Ganze sehr aufmerksam.

Das Gespräch führte Vera Deragisch.

SRF 4 News aktuell vom 8.6.2022, 06:20 Uhr ; 

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