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Krieg in der Ukraine Staudamm-Katastrophe: Was wir wissen – und was nicht

Die Explosion am Kachowka-Staudamm ist ein weiterer fürchterlicher Tiefpunkt des Krieges. Viele Fragen sind noch offen.

Was wir wissen

Die Verwüstungen: Der Kachowka-Staudamm und das angrenzende Wasserkraftwerk liegen in der Stadt Nowa Kachowka in dem von Russland besetzten Teil der ukrainischen Region Cherson. Der Staudamm ist zerstört. Auch das Wasserkraftwerk ist komplett ruiniert. Vermutet wird, dass der Damm gesprengt wurde. 24 Ortschaften sind mittlerweile überflutet, zehntausende Menschen werden mit Bussen und Zügen aus der Region evakuiert.

Die Vergangenheit : Schon lange wurde befürchtet, dass der Staudamm zerstört und das Gebiet überflutet werden könnte. Denn es ist nicht das erste Mal, dass er Ziel von Attacken wird. Im Herbst 2022 etwa hatten ukrainische Kräfte die Brücke über den Staudamm mit Präzisionsschlägen angegriffen und den russischen Nachschub gestört. Russische Truppen wiederum hatten bei Rückzügen mit kontrollierten Sprengungen weitere erhebliche Schäden angerichtet. Bald war die Brücke nicht mehr passierbar. Für besondere Beunruhigung sorgte, als die Besatzer im November die Evakuierung Nowa Kachowkas ankündigten.

Gegenseitige Schuldzuweisungen: Die Ukraine teilte mit, die russischen Besatzer hätten den Damm selbst gesprengt. Präsident Wolodimir Selenski sprach von «Terror» und berief den nationalen Sicherheitsrat ein. Die russischen Besatzer machen dagegen ukrainischen Beschuss für die Schäden am Staudamm verantwortlich.

Das Atomkraftwerk: Für das am nördlichen Ende des Stausees gelegene Atomkraftwerk Saporischja bestehe keine unmittelbare Gefahr, heisst es übereinstimmend von der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) und dem russischen Atomkonzern Rosenergoatom. Verhindert werden muss, dass die Reaktorkerne und der Atommüll gefährlich überhitzen.

Was wir nicht wissen

Die Verantwortung: Moskau und Kiew weisen sich gegenseitig die Schuld an der Explosion zu. Während die Ukraine Russland Staatsterrorismus vorwirft und die Tat mit dem Einsatz einer Massenvernichtungswaffe vergleicht, beschuldigt Moskau ukrainische Truppen des Beschusses und einer vorsätzlichen Sabotage. Keine der beiden Seiten legte bislang Beweise vor.

Das Motiv: Spekuliert wird, dass der Vorfall ein russischer Sabotageakt sein könnte, um eine ukrainische Gegenoffensive auszubremsen. Moskau streitet das ab. Die Überschwemmungen betreffen besonders die von Russland besetzte Region südlich des Dnipro, die als ein Hauptziel eines solchen möglichen Vormarsches gilt.

«Kriegsverbrechen»: Das sind die Reaktionen

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Für Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg ist klar, dass die Russen hinter der Zerstörung des Kachowka-Staudamms stecken. Die «ungeheuerliche Tat» demonstriere «einmal mehr die Brutalität von Russlands Krieg in der Ukraine», schreibt er auf Twitter . Auch EU-Ratspräsident Charles Michel spricht von einem russischen «Kriegsverbrechen».

Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz wirft Moskau vor, immer stärker zivile Ziele anzugreifen. Auch der britische Aussenminister James Cleverly spricht von einem «Kriegsverbrechen».

Das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) hat den Angriff auf den Staudamm auf Twitter als «schwere Verletzung des humanitären Völkerrechts» bezeichnet.

Die Auswirkungen: Noch unklar ist, wie sehr die Überschwemmungen das Gebiet verwüsten. Weite Teile der Region könnten unter Wasser stehen. Die Grossstadt Cherson liegt rund 50 Kilometer Luftlinie flussabwärts. Der ukrainische Ministerpräsident Denys Schmyhal sprach schon kurze Zeit nach der Explosion von einer Überschwemmungsgefahr für bis zu 80 Ortschaften. Wissenschaftler der Hochschule Magdeburg-Stendal haben in einer frühen Modellierung errechnet, dass 60'000 Menschen betroffen sein könnten, etwa ein Drittel davon gefährdet.

Die Umweltkatastrophe: Nach nicht unabhängig prüfbaren Angaben der ukrainischen Führung sind mindestens 150 Tonnen Maschinenöl in den Fluss Dnipro gelangt. 300 weitere Tonnen Öl drohten noch auszulaufen. Auch Flora und Fauna werden sicherlich in Mitleidenschaft gezogen.

Fast 70-jähriger Staudamm

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Der Staudamm bei Nowa Kachowka ist rund 30 Meter hoch und 3.2 Kilometer lang. Er wurde 1956 am Fluss Dnipro als Teil des Wasserkraftwerks Kachowka errichtet. Der dadurch gebildete Stausee fasst rund 18 Milliarden Kubikmeter Wasser.

Die Versorgung: Südlich gelegene Orte und auch die von Russland annektierte Schwarzmeer-Halbinsel Krim könnte eine Knappheit bei der Wasserversorgung drohen, denn sie werden aus dem Kachowka-Stausee beliefert. Das wird sich in den kommenden Tagen zeigen. Auch Ortschaften stromaufwärts könnten betroffen sein, wenn das riesige Wasserreservoir etwa für die Landwirtschaft fehlt. Die Zerstörung des Wasserkraftwerks könnte zudem zu den Energieproblemen der Ukraine beitragen.

SRF 4 News, 6.6.2023, 07:00 Uhr ; 

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