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«Libyen bräuchte eine starke Regierung»
Aus Echo der Zeit vom 22.05.2020. Bild: Imago
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Krieg in Libyen «Die Milizen und Dschihadisten verfolgen eine eigene Agenda»

Seit dem Sturz des Langzeitherrschers Muammar Gaddafi befindet sich Libyen in einem politischen Chaos und seit Längerem in einem Bürgerkrieg. Auf der einen Seite steht die international anerkannte Regierung unter Fayez as-Sarradsch, auf der anderen Seite General Chalifa Haftar. Der Konflikt ist längst auch zu einem Stellvertreterkrieg geworden. Die Türkei unterstützt die Regierung militärisch. Haftar bekommt Hilfe von Russland, Ägypten und den Vereinigten Arabischen Emiraten.

Beat Stauffer

Beat Stauffer

freier Journalist, Buchautor

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Beat Stauffer berichtet als freischaffender Journalist für verschiedene Medien aus Nordafrika. Er ist auch als Buchautor, Kursleiter und Referent tätig.

SRF News: Die Regierungstruppen haben in letzter Zeit Terrain zurückgewonnen. Was bedeutet das für den Krieg in Libyen?

Beat Stauffer: General Haftar aus dem Osten hatte bis vor wenigen Wochen die Hauptstadt Tripolis gewissermassen in einem Klammergriff. Jetzt ist es den Truppen der international anerkannten Regierung gelungen, diese Belagerung aufzubrechen und weite Teile Libyens zurückzugewinnen. Vor allem konnten sie die grosse Luftwaffenbasis Al-Watia erobern. Damit ist Haftar eindeutig in die Defensive versetzt worden.

Wie ist diese Offensive gelungen?

Entscheidend war der Einsatz von einigen Tausend zusätzlichen Kämpfern. Die Rede ist von bis 8000 Personen. Das sind einerseits Söldner und radikale Islamisten, die in Syrien gekämpft haben.

Das Problem ist, dass die international anerkannte Regierung sich mit sehr fragwürdigen Leuten verbündet, mit Dschihadisten, Kriminellen, Schmugglern und Schleppern.

Zum Teil sind es sehr junge Leute. Andererseits hat die Regierung im Westen Gefängnisse geöffnet und Kriminelle und auch Dschihadisten befreit, um alle Kräfte gegen Haftar zu sammeln. Das hat es ermöglicht, diese Terraingewinne zu erzielen.

Wie gross ist in Ihren Augen die Gefahr, dass sich islamistische Terroristen in Libyen sammeln und organisieren können?

Diese Gefahr erachte ich als sehr gross. Bei der Befreiung von Sirte sind zahlreiche Dschihadisten gefangen genommen worden. Sie sind jetzt frei. Ihr Feind ist Haftar. Das Problem ist aber, dass die Regierung sich so mit sehr fragwürdigen Leuten verbündet, mit Dschihadisten, Kriminellen, Schmugglern und Schleppern. Das ist eine heikle Allianz, die der Reputation dieser Regierung enorm schaden kann.

Könnte diese Allianz der Regierung auch gefährlich werden?

Nach allem, was man in Libyen gesehen hat, muss man davon ausgehen, dass diese Milizverbände und vor allem die Dschihadisten ihre eigene Agenda verfolgen. Fayez as-Sarradsch, der Regierungschef, riskiert, zur Geisel dieser radikalen Gruppen und skrupellosen Geschäftsleuten zu werden. Einer ist zum Beispiel Ahmed Dabaschi, der berühmteste Schlepper aus Sabratha, der jetzt ein ganz entscheidendes Wort im Westen Libyens mitzureden hat.

Der Dabbashi-Clan hat die Möglichkeit, gegenüber Europa die Frage der irregulären Migration zum Druckmittel zu machen.

Inwiefern spielt er in Zukunft eine Rolle?

Sabratha ist die Hochburg der Schlepper im Westen Libyens und konnte nur dank türkischer Hilfe und dem Einsatz dieses Dabbashi-Clans erobert werden. Der Clan hat mehr Macht als je zuvor. Er hat Geld von Tripolis, Waffen von Tripolis und der Türkei. Er hat die Möglichkeit, gegenüber Europa die Frage der irregulären Migration zum Druckmittel zu machen. Das ist für Europa eine heikle, fast eine explosive Konstellation.

Ist die Lage in Libyen in den letzten Tagen noch komplexer und gefährlicher geworden?

Ja, das scheint mir so. Es ist ein Sieg für die westliche Seite, aber die Konsequenzen für das ganze Land sind verheerend. Jetzt haben Dschihadisten, Kriminelle und Clanchefs wieder mehr Gewicht. Doch das Land bräuchte eine starke Regierung, eine staatliche Hoheit über Militär und Sicherheitskräfte. Denn nur so lässt sich das Treiben der Milizen eindämmen. Dieses Ziel ist weiter entfernt denn je.

Das Gespräch führte Beat Soltermann.

Echo der Zeit vom 22.05.2020;

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