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Gefahr für Europa Der lange Arm des iranischen Regimes

Weltweit unterhält der Iran ein Netz für kriminelle Aktivitäten und Anschlagsvorbereitungen – auch in der Schweiz.

Die Rhetorik ist scharf, die Raketen fliegen. Was kommt als Nächstes? Mehrere Sicherheitsexperten erinnern dieser Tage an eine berüchtigte Strategie des iranischen Regimes: internationaler Terrorismus mithilfe der Hisbollah. 

2012 traf es israelische Touristen im bulgarischen Burgas. Ein Attentäter zündete in einem Bus eine Bombe, tötete fünf Israeli, den Fahrer sowie sich selbst. 

Die Hisbollah

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Gegründet wurde die Hisbollah («Partei Gottes») anfangs der 1980er-Jahre im Libanon. Von Beginn weg wurde sie von den iranischen Revolutionsgarden auch militärisch unterstützt, zunächst im Kampf gegen israelische Truppen, die 1982 im Süden Libanons einmarschiert waren. Neben Kampftruppen baute die Hisbollah auch soziale Einrichtungen wie Spitäler und Schulen auf, der politische Flügel beteiligte sich an den Parlamentswahlen. Zentrales Element der Ideologie ist, wie jene des iranischen Regimes, die Vernichtung Israels und Antisemitismus. 

Im Bürgerkrieg in Syrien kämpften Hisbollah-Truppen an der Seite des Assad-Regimes, wie auch der Iran den syrischen Machthaber Baschar al-Assad bis zu dessen Sturz 2024 unterstütze.

Die Hisbollah im Libanon wurde durch Militär- und Geheimdienstoperationen Israels wie die Pager-Angriffe, gezielte Tötungen und eine Bodenoffensive stark geschwächt. Lange galt das Raketenarsenal der Hisbollah, das gegen Israel gerichtet war, als eine Lebensversicherung für das iranische Regime – im Fall eines Angriffs in Iran würde massiver Beschuss durch die Hisbollah folgen. Dazu ist diese offensichtlich nicht mehr in der Lage. 

Es war nicht der erste Anschlag, der der Hisbollah zugerechnet wurde, deren Geldgeber und Vordenker in Teheran residieren. 

Sprengsätze aus Erste-Hilfe-Kühlbeuteln 

Seit 2008 habe die Hisbollah ein System aufgebaut mit dem Ziel, auf verschiedenen Kontinenten Sprengkörper herstellen zu können. Das wird im Bericht des Bundesrats über die Hisbollah von 2022 beschrieben.

Menschen.
Legende: Ein libanesischer sunnitischer Geistlicher nimmt an einer Kundgebung vor der iranischen Botschaft teil, um den Iran in seinem Krieg gegen Israel zu unterstützen. imago images / ZUMA Press Wire

Ausgangsmaterial für Explosivstoffe sei Ammoniumnitrat. Dieses wird für Düngemittel verwendet und kommt in Kühlbeuteln vor. Der Import von Erste-Hilfe-Sets mit solchen «Cold Packs» sei in vielen Ländern legal, was die Kontrolle erschwere. Hilfskräfte der Hisbollah hätten auf mehreren Kontinenten Materiallager aufgebaut. 

So fand die Polizei in London 2015 bei einem Hisbollah-Verdächtigen Lagerstätten mit Tausenden Kühlbeuteln, insgesamt drei Tonnen Ammoniumnitrat. 

Anschläge und Kriminalität weltweit

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Die Hisbollah verfügt über eine eigene Abteilung für Auslandoperationen zwecks Informationsbeschaffung und Vorbereitung von Anschlägen. Bereits die Anschläge von 1985 und 1986 in Frankeich mit 12 Toten und 300 Verletzten werden dieser zugerechnet. Ein Autobombenanschlag auf die israelische Botschaft in Argentinien 1992 forderte 29 Tote und 250 Verletzte. 1994 starben bei einem Anschlag auf das jüdische Gemeinschaftszentrum in Buenos Aires 85 Menschen, 151 wurden verletzt. 

In verschiedenen Ländern wurden in den letzten Jahren Verdächtige festgenommen, so auch 2023 in Brasilien zwei Männer mit vermuteten Verbindungen zur Hisbollah. Sie sollen geplant haben, Juden im Land anzugreifen. 

Der Iran führe, teils mittels Hisbollah-Anhängern, einen Schattenkrieg in Europa. Peter Neumann, Terrorismusprofessor am King's College London, zählt seit 2018 elf Anschläge und -pläne in Europa. In Schweden wurde bekannt, dass der Iran kriminelle Banden anheuere für Angriffe gegen israelische und jüdische Interessen. 

Die Hisbollah ist auch in den Handel von Drogen aus Südamerika und Geldwäscherei involviert. In einem Fall belief sich nach Angaben des US-Finanzministeriums von 2011 der Umsatz eines weltweiten Drogenringes auf 200 Millionen US-Dollar per Monat. Ein Teil davon soll an die Hisbollah geflossen sein. 

Nathan Sales, Terrorismusabwehr-Koordinator im Aussenministerium der USA, sagte 2020, die Hisbollah habe Vorräte über Belgien nach Frankreich, Griechenland, Spanien und in die Schweiz geschafft, und erklärte: «Warum sollte die Hisbollah Ammoniumnitrat auf europäischem Boden lagern?» Die Antwort sei klar. Sie könne grosse Terroranschläge verüben, wann immer ihre Herren in Teheran es für notwendig erachten würden, so Sales. 

Verdacht eines Ammoniumnitratlagers in Genf 

Gemäss Recherchen von SRF hatten die Schweizer Sicherheitsbehörden einen konkreten Verdacht. Die Spuren führten nach Genf. Ein Garagist, der verdächtigt wurde, der Hisbollah zuzudienen, lagerte dort eine grössere Menge solcher «Cold Packs» – exakt das Muster, das Nachrichtendiensten auch in anderen Ländern auffiel. Offenbar erfolgten damals auch erste Abklärungen gegen den Mann in Genf. 

Die Hisbollah in der Schweiz

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Die Zahl der Personen, die die Hisbollah in der Schweiz aktiv unterstützen könnten, wird im Bericht des Bundesrats von 2022 auf einige Dutzend geschätzt. Nicht alle seien religiös oder politisiert, manche Beziehungen seien familiär. 

Es gebe rund zwanzig Zentren und Vereine, teils kleine schiitisch-religiöse Orte, wo Feiern abgehalten würden. Teils würden Imame aus dem Libanon eingeladen, die eine Nähe zur Hisbollah hätten. Die Zentren organisierten Ferienlager für Jugendliche, in denen diese religiös geschult würden. Aktive Mitglieder dieser Zentren nähmen auch an Anlässen teil, wo israelfeindliche Propaganda verbreitet werde, heisst es im Bericht. 

Die Hisbollah ist in der Schweiz nicht verboten, während die EU den militärischen Arm als Terrororganisation gelistet hat. Die USA und Deutschland haben die Hisbollah als Ganzes als Terrororganisation eingestuft. 

Hingegen ist in der Schweiz seit Mitte Mai 2025 das Verbot der Hamas in Kraft. Die Hamas ist sunnitisch und beherrschte den Gazastreifen. 

Nur: Kühlmittel an Lager zu halten, ist nicht verboten. Und die Hisbollah ist bis heute auch nicht verboten. Fazit der Abklärungen damals: Keine Hinweise auf eine Straftat.

Hisbollah unterhält Kräfte «als letztes Mittel bei einem Konflikt» 

Ein zweiter Fall ist im Bundesratsbericht beschrieben: Ende der 2000er-Jahre seien mehrere Personen im Raum Zürich verdächtigt worden, operativ für die Auslandsabteilung der Hisbollah aktiv gewesen zu sein. Sie sollen potenzielle Ziele beobachtet haben. Ein Strafverfahren ist auch hier nicht bekannt. 

Das Fazit des Bundesratsberichts: Die Hisbollah halte Kräfte aufrecht, die «als letztes Mittel bei einem Konflikt oder einer grösseren Krise eingesetzt werden könnten».

Dieser Moment, so warnen Beobachter, könnte gekommen sein. 

10v10, 19.6.2025, 21:50 Uhr; sten

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