Zum Inhalt springen

Kriege, Konflikte und Krisen Wie unsicher ist die Welt?

Der Krieg in der Ukraine, der Krieg in Nahost oder im Sudan: Schaut man auf die Welt, wie sie sich zum Start des neuen Jahres zeigt, sieht man Konflikte und Krisen. Leben wir in einer neuen Ära des Konflikts zwischen den Grossmächten? Carlo Masala, Professor für internationale Politik an der Universität der Bundeswehr München, gibt Antwort.

Carlo Masala

Politikprofessor

Personen-Box aufklappen Personen-Box zuklappen

Der deutsche Politikwissenschaftler ist Professor für internationale Politik an der Universität der Bundeswehr in München. 2022 erschien sein Buch «Weltunordnung. Die globalen Krisen und die Illusion des Westens» in der 4. Auflage. Der 56-Jährige ist Co-Host des Podcasts «Sicherheitshalber».

SRF News: Ist die Welt unsicherer geworden?

Carlo Masala: Wenn man sich die Anzahl der Konflikte und Kriege anschaut, die wir 2023 gesehen haben, und das vergleicht mit Kriegen und Konflikten in den Jahren 2019 und 2020, dann kommt man nicht umhin zu sagen, dass die Welt unsicherer geworden ist. Wir sehen das Aufbrechen von Konflikten dort, wo ein strategisches Vakuum entsteht. Wir haben nach dem Angriff der Hamas auf Israel eine Situation im Mittleren und Nahen Osten, von der wir nicht wissen, ob sie nicht potenziell eskalieren kann.

Stichworte sind die Angriffe der Huthi auf die freie Schifffahrt, die möglicherweise noch viel stärkere Involvierung der Hisbollah in Israels Krieg gegen die Hamas. Wir haben die Situation in der Ukraine. Und wir haben natürlich noch die fortlaufenden Konflikte auf der ganzen Welt, die seit Jahren existieren und die auch dort relativ unbemerkt von der Öffentlichkeit mit erbitterter Härte geführt werden.

Ist das eine zufällige Häufung oder hängen diese Konflikte zusammen?

Sie hängen insofern zusammen, als wir eine Situation haben, in der die USA seit mehr als zwei Jahren sehr stark auf die Unterstützung der Ukraine fokussiert sind und ihre Rolle als Ordnungsmacht in anderen Regionen der Welt nicht wahrnehmen. Dadurch entstehen Vakua, die von anderen Akteuren ausgefüllt werden.

Machtübergänge von einem zum anderen Land sind historisch gesehen sehr oft mit militärischen Auseinandersetzungen einhergegangen.

Wir sehen also eine Schwäche des Westens?

Es ist eine Schwäche des Westens. Wir befinden uns meines Erachtens in einer Phase, in der es nicht klar ist, ob die regelbasierte Weltordnung, so wie wir sie kennen, die nächsten 15 Jahre überdauern wird.

Ein Mädchen versteckt sich hinter einer
Legende: Ist es Zeit, in Deckung zu gehen? Dieses Mädchen in Kiew bereitet sich bereits darauf vor. (Bild vom Mai 2023) AP Photo/Bernat Armangue

Noch sind die USA die stärkste Macht, wir haben eine Unipolarität, wenn auch in abgeschwächter Form. Doch China holt auf. Wie gefährlich ist dieser Zustand von zwei sich annähernden Grossmächten?

Es ist ein potenziell gefährlicher Zustand, wie uns die Geschichte lehrt. Machtübergänge von einem zum anderen Land sind historisch gesehen nicht immer, aber sehr oft, mit militärischen Auseinandersetzungen einhergegangen. Je mehr sich China der Macht der Vereinigten Staaten annähert, desto grösser ist die Gefahr, dass es auch zu einer militärischen Auseinandersetzung kommt. Das passiert aber nicht zwangsläufig.

Eine der Gesetzmässigkeiten ist, dass nicht ausbalancierte Macht – die amerikanische Unipolarität – irgendwann einmal ausbalanciert werden wird.

Würden Sie Anne Applebaum zustimmen, der US-amerikanischen Historikerin und Journalistin, die sagt, dass wir uns in einer neuen Ära des Konflikts zwischen Grossmächten befinden?

Ich würde ihr insofern zustimmen, als ich sagen würde, dass seit einigen Jahren dieser Konflikt offen sichtbar ist. Dass es diesen Konflikt geben wird, davon war ich immer überzeugt, weil es ganz einfach gewisse Gesetzmässigkeiten in der internationalen Politik gibt, die sich immer wiederholen. Eine der Gesetzmässigkeiten ist, dass nicht ausbalancierte Macht – die amerikanische Unipolarität – irgendwann einmal ausbalanciert werden wird.

Und diesen Prozess hatten wir durch den Aufstieg Chinas gesehen, durch Chinas aggressiveres Auftreten in Asien und gleichzeitig dann auch durch die immer aggressiver werdende Aussenpolitik der Russischen Föderation. Es wird jetzt also offensichtlich, was einige schon seit langer Zeit befürchtet haben.

Das Gespräch führte Simone Hulliger.

Tagesgespräch, 8.1.2024, 13 Uhr ; 

Meistgelesene Artikel