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Kriegsverbrechen im Sudan In 30 Anklagepunkten schuldig – Urteil über Darfur-Konflikt

  • Der Internationale Gerichtshof in Den Haag (ICC) verurteilt Ali Abd-Al-Rahman in allen Anklagepunkten.
  • Die Anwälte der Verteidigung plädierten zu Beginn des Prozesses auf unschuldig. Abd-Al-Rahman sei ein «niemand», der nichts mit dem Darfur-Konflikt zu tun hat.
  • Während die Anklage verlesen wird, tobt im Sudan immer noch ein blutiger Bürgerkrieg.

Der Internationale Strafgerichtshof hat den ersten Milizenführer verurteilt, der jemals für Kriegsverbrechen in der sudanesischen Region Darfur vor mehr als 20 Jahren beschuldigt wurde.

Das Gericht befand Ali Abd-Al-Rahman in 27 Anklagepunkten für schuldig , darunter Vergewaltigung, Mord und Verfolgung. Urteile zu vier weiteren Anklagepunkten wurden nicht gefällt, da sie der Ansicht waren, dass die Straftaten durch andere Anklagepunkte, für die er verurteilt wurde, abgedeckt waren.

An der Schuld des Angeklagten «gibt es keinen Zweifel», sagte die Vorsitzende Richterin Joanna Korner. Über das Strafmass wird zu einem späteren Zeitpunkt entschieden. Ihm droht eine lebenslange Freiheitsstrafe.

Mann mit Brille und Anzug im Profil.
Legende: Ali Abd-Al-Rahman hatte sich im Sommer 2020 dem Gericht gestellt. Reuters/Piroschka Van De Wouw

Der Angeklagte war laut dem Gericht einer der wichtigsten Anführer der berüchtigten und von der Regierung unterstützten Dschandschawid-Miliz, die von 2003 bis 2006 für die Ermordung von etwa 300'000 Menschen in der Darfur-Region im Sudan verantwortlich gemacht wird.

Der Bürgerkrieg vor 20 Jahren

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Vor gut 20 Jahren war der Bürgerkrieg im Süden Sudans ausgebrochen. Die Massaker in der südsudanesischen Provinz hatten international Entsetzen ausgelöst.

Abd-Al-Rahman war ein ranghoher Kommandeur der Dschandschawid-Miliz während des Darfur-Konflikts, der 2003 ausbrach, als Rebellen aus der ethnischen Gemeinschaft der Zentral- und Subsahara-Afrikaner in dem Gebiet einen Aufstand starteten und sich über die Unterdrückung durch die arabisch dominierte Regierung in der Hauptstadt Khartum beschwerten.

Die Regierung des damaligen Präsidenten Omar al-Bashir reagierte mit einer Kampagne der verbrannten Erde, mit Luftangriffen und Überfällen der Dschandschawid, die oft im Morgengrauen und zu Pferd oder auf Kamelen in Dörfern stattfanden.

Die Kampagne umfasste Massentötungen und Vergewaltigungen, Folter und Verfolgung. Im Laufe der Jahre wurden in Darfur bis zu 300'000 Menschen getötet und 2.7 Millionen aus ihren Häusern vertrieben.

Das Gericht entschied, dass die Gräueltaten Teil eines Plans der Regierung waren, einen Aufstand im Westen des Sudan gewaltsam niederzuschlagen.

Abd-Al-Rahman plädierte bei der Eröffnung seines Prozesses im April 2022 auf unschuldig. Während des Prozesses hörten die Richter 56 Zeugen an, die schreckliche Gewalt und den Einsatz von Vergewaltigung als Waffe zur Terrorisierung und Demütigung von Frauen beschrieben.

Die Anwälte der Verteidigung riefen 17 Zeugen auf und argumentierten, dass Abd-Al-Rahman kein Milizenführer war, sondern ein «Niemand», der nichts mit dem Darfur-Konflikt zu tun hatte.

Tausende Opfer, Millionen Vertriebene

Während die Urteile in Den Haag verkündet werden, tobt im Sudan ein Konflikt zwischen den paramilitärischen Rapid Support Forces (RSF) und dem sudanesischen Militär. Die Spannungen brachen 2023 zwischen den beiden früheren Verbündeten aus, die nach einem Aufstand im Jahr 2019 einen demokratischen Übergang überwachen sollten.

Die Kämpfe haben nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation mindestens 40'000 Menschen getötet und bis zu 12 Millionen Menschen vertrieben.

Medizinischer Helfer misst den Armumfang eines Kindes im Freien.
Legende: Laut dem Welternährungsprogramm leiden fast 25 Millionen Menschen im Sudan akut Hunger, zwei Millionen hingegen sind von einer Hungersnot betroffen oder bedroht. Reuters/Thomas Mukoya

Nach Angaben des Welternährungsprogramms sind im Sudan mehr als 24 Millionen Menschen von akuter Ernährungsunsicherheit betroffen.

Fehlende Unterstützung

Grossmächte, wie die USA und Russland, arbeiten derzeit aktiv gegen den ICC. US-Präsident Trump verhängt nach dem Haftbefehl gegen Israels Premier wegen des Gaza-Krieges Sanktionen gegen den Chefankläger und mehrere Richter.

Viele Beschuldigte entgehen den Prozessen

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Der Strafgerichtshof in Den Haag steht unter extremem politischem Druck. Ermittler werden eingeschüchtert, Sanktionen verhängt oder internationale Haftbefehle ignoriert. Viele Angeklagte sind noch auf freiem Fuss.

Darunter Sudans Ex-Staatstschef Omar al Bashir, Russlands Präsident Wladimir Putin und Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu. Die Chancen stehen schlecht, dass ihnen tatsächlich irgendwann einmal der Prozess gemacht wird, denn viele Länder weigern sich aus politischen Gründen, sie festzunehmen.

«Bei seiner Gründung gab es insgeheim die Erwartung, der ICC werde sich vor allem um Kriegsfürsten aus schwachen Staaten kümmern. Mit den Haftbefehlen gegen Schwergewichte wie Putin oder Netanjahu gerät die Unterstützung ins Wanken. Die Idee einer Weltstrafjustiz, vor der alle gleich sind, verliert weltweit an Unterstützung.», sagt Sebastian Ramspeck, internationaler Korrespondent von SRF.

SRF 4 News, 6.10.2025, 16:30 Uhr ; 

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