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Krise im Nahen Osten Auch fürs Westjordanland ist der Gaza-Krieg eine Katastrophe

Tausende Palästinenser können nicht mehr nach Israel zur Arbeit. Das Gebiet ist weitgehend abgeriegelt.

Wie ein Gefängnis sieht die schöne, grosse Küche der vierfachen Mutter Rawan nicht aus. Aber die 33-jährige Palästinenserin im Städtchen Huwara fühlt sich, wie wenn sie in einem Gefängnis leben würde – vor allem seit Beginn des Krieges zwischen Israel und der Hamas Anfang Oktober.

«Wir leben hier in einem grossen Gefängnis: Wir können kaum ausgehen, weil der Checkpoint der israelischen Armee gleich gegenüber unseres Hauses ist», klagt sie.

Zwei Monate lang sei es verboten gewesen, das Haus zu verlassen. «Als mein Mann trotzdem einmal rausging, schlugen sie ihn vor den Kindern. Und am selben Tag schossen sie dem Mann meiner Tante in die Beine.»

Jüdische Siedlung stetig ausgebaut

Huwara ist seit Jahren ein Brennpunkt der Gewalt. Hier leben rund 7000 Palästinenserinnen und Palästinenser, gleich unterhalb der jüdischen Siedlung Yitzhar.

Siedlung hinter Mauern und Drahtzäunen.
Legende: In dutzenden Siedlungen im Westjordanland leben inzwischen rund 700'000 Israelis. Die Siedlungen werden von der Armee bewacht und verteidigt. Vom Internationalen Gerichtshof und von den Vereinten Nationen – auch vom UNO-Sicherheitsrat – werden sie als völkerrechtlich illegal eingestuft. srf

Diese wurde seit den 1980er-Jahren stetig ausgebaut und hat heute eine Bevölkerung von rund 2000 Menschen. Das alles geschah nach internationalem Rechtsverständnis illegal – auf palästinensischem Land.

Es droht eine weitere Radikalisierung

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Seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel hat die palästinensische Bevölkerung auch im von Israel besetzten Westjordanland keine Perspektive mehr. Die israelische Armee hat ihre Abriegelung im Westjordanland verstärkt – und es ist völlig unklar, wann das und der Krieg im Gazastreifen enden und was danach kommt. Als Folge der Abriegelungen haben Hunderttausende der insgesamt rund drei Millionen im Westjordanland lebenden Palästinenserinnen und Palästinenser Arbeit und Einkommen verloren.

Verheerend ist die Situation angesichts der verbreiteten Ausgangssperren im Zuge von Militäraktionen gegen militante Palästinenser im Westjordanland vor allem auch für die Kinder und Jugendlichen. Sie können nicht oder nur sehr reduziert zur Schule, es fehlt eine Perspektive und es droht eine weitere Radikalisierung der jungen Leute. Schon warnen kritisch eingestellte Israelis vor einer dritten Intifada, einem Aufstand der Palästinenser.

Nach dem Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober liessen die Siedler zusammen mit der israelischen Armee alle Geschäfte an der Hauptstrasse schliessen, Scharfschützen auf Hausdächer stellen und mit Checkpoints die Durchfahrt für Palästinenser erschweren.

Checkpoints versperren den Weg

Auch die Kinder waren betroffen: «Zwei Monate lang konnten die Kinder gar nicht zur Schule gehen, jetzt dürfen sie das immerhin wieder drei Tage pro Woche», sagt Rawan. «Warum dürfen ihre Kinder alles, und unsere bekommen nicht einmal eine richtige Schulbildung?»

Draussen spielen könnten die Kinder ebenfalls nicht. Zu gross ist die Angst vor den Soldaten und den Siedlern, die in den letzten Monaten von der Regierung bewaffnet wurden.

Checkpoints versperren den Weg zu den Geschäften.
Autor: Rawan Palästinenserin in Huwara, vierfache Mutter

Rawan sagt, dass sie mit ihren vier Kindern zwar rausgehe. Aber es sei noch immer schwierig, für Einkäufe zu Geschäften in anderen Quartieren zu gelangen. «Checkpoints versperren den Weg dahin.»

Die Wirtschaft Huwaras lebt vom Durchgangsverkehr. Die militärische Blockade hat diesen, und somit auch die Wirtschaft, zum Erliegen gebracht. Davon betroffen ist nicht nur Huwara.

Huwara, Szene.
Legende: Seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober ist Huwara – wie alle anderen palästinensischen Orte im Westjordanland – weitgehend isoliert. Überall gibt es israelische Checkpoints, die das Reisen oder den Handel praktisch unterbinden. srf

Die Weltbank und die Internationale Arbeitsorganisation ILO rechnen fürs Westjordanland mit einem dramatischen Verlust von Arbeitsstellen und Einkommen.

Drohungen von Soldaten und Siedlern

Neben finanziellen Sorgen machten Rawan auch die Drohungen israelischer Soldaten und Siedler Angst. «Soldaten sagten uns: ‹Wenn wir mit Gaza fertig sind, fangen wir mit Huwara an.›» Und die Siedler doppelten aus ihren Autos mit Drohgebärden nach: «Sie rufen: ‹Ihr werdet noch sehen, was wir mit euch machen!›»

Die Bevölkerung von Huwara weiss aus Erfahrung, dass dies keine leeren Drohungen sind: Schon vor einem Jahr haben radikale Siedler palästinensische Häuser und Geschäfte angezündet und auf Menschen geschossen, während die Armee zuschaute.

Damals forderte der israelische Finanzminister Bezalel Smotrich die Armee sogar auf, Huwara auszulöschen.

Rendez-vous, 22.1.2024, 12:30 Uhr

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