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Krise im Nordosten Afrikas Heftige Gefechte im Sudan: Armee scheint Oberhand zu gewinnen

  • Im Sudan sind seit Samstag schwere Gefechte zwischen der Armee und der paramilitärischen Gruppe «Rapid Support Forces» (RSF) im Gange.
  • Nach Angaben des Zentralkomitees der sudanesischen Ärzte sind mindestens 97 Zivilisten ums Leben gekommen.
  • Bei den heftigen Kämpfen scheint die Armee die Oberhand zu gewinnen.

Sie habe Luftangriffe auf Kasernen und Stützpunkte der «Rapid Support Forces» (RSF) geflogen, sagten Zeugen und Anwohner am Sonntag. Die Armee habe auch die Kontrolle über einen Grossteil des Präsidentenpalastes in der Hauptstadt Khartum zurückerobert. Die Angaben lassen sich aber meist nicht unabhängig überprüfen.

Ursprünglich einigten sich die Parteien am Sonntag auf eine dreistündige Kampfpause, um die von den Vereinten Nationen vorgeschlagenen humanitären Evakuierungen zu ermöglichen, so die UNO-Mission im Sudan. Jedoch wurde die Vereinbarung nach einer kurzen Phase weitgehend ignoriert.

Sprecher der sudanesischen Armee mit strengem Blick
Legende: Nabil Abdullah, Sprecher der sudanesischen Armee, bei der Orientierung über den Angriff der paramilitärischen Truppe Rapid Support Forces (RSF). Keystone/suna

Besonders umkämpft war in der Hauptstadt Khartum das Gebäude des Hauptkommandos des Militärs, Teile davon gerieten in Brand. Die RSF teilten mit, bestimmte Bereiche des Hauptquartiers unter Kontrolle zu haben.

Das sudanesische Militär wies dies als Falschmeldung zurück. Stattdessen teilte die Armee mit, der Brand sei gelöscht. Es habe keine Verletzten gegeben. Augenzeugen berichten jedoch, dass die Kämpfe dort unvermindert weiter gingen. Dabei sollen schwere Artillerie und Kampfjets eingesetzt worden sein.

Auch in anderen Teilen des Landes wie in den Provinzen Darfur und Nord-Kordofan soll es zu Kämpfen gekommen sein. Schwere Gefechte wurden auch aus der Stadt Merowe im Norden des Landes gemeldet. In der Stadt Merowe nahmen die RSF nach eigenen Angaben ägyptische Soldaten fest.

Drei Mitarbeiter des UNO-Welternährungsprogramms getötet

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Nach dem Tod dreier Mitarbeiter im Zuge des Machtkampfs im Sudan hat das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (WFP) seine Hilfsmassnahmen in dem nordostafrikanischen Krisenland eingestellt.

Die drei Mitarbeiter seien am Samstag bei Auseinandersetzungen zwischen der Armee und Paramilitärs getötet worden, zwei weitere seien verletzt worden. Die Mitarbeiter hätten Menschen in der Ortschaft Kabkabiya in Nord-Darfur mit Hilfsgütern versorgt, sagte WFP Exekutivdirektorin Cindy McCain. Sie forderte «sofortige Schritte», um die Sicherheit weiterer WFP-Mitarbeiter im Sudan zu gewährleisten.

Situation in Khartum unklar

Hintergrund des Gewaltausbruchs ist ein erbitterter Machtkampf zwischen dem sudanesischen Machthaber General Abdel Fattah al-Burhan und Mohammed Hamdan Daglo, dem Anführer der RSF.

Der Konflikt in dem Land mit 46 Millionen Einwohnern eskalierte am Samstag, binnen weniger Stunden kam es zu heftigen Gefechten. Aus Khartum wurde unter anderem Artilleriebeschuss gemeldet, ausserdem gab es Berichte über Luftangriffe der sudanesischen Luftwaffe auf RSF-Stützpunkte. Wer in Khartum aktuell die Oberhand hat, ist unklar.

Wenig Hoffnung auf rasches Ende der Gewalt

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Die Rhetorik der Kontrahenten macht wenig Hoffnung auf ein schnelles Ende der Gewalt: Al-Burhan hatte den RSF am Samstag in einem Interview mit dem Fernsehsender Al-Dschasira Angriffe auf strategische Ziele und auf sein Haus vorgeworfen. RSF-Anführer Daglo forderte, al-Burhan und seine Verbündeten vor Gericht zu stellen. Sein Rivale sei schuld an dem Konflikt und werde entweder gefangen genommen «oder wie ein Hund sterben», sagte Daglo zu Al-Dschasira. Das Militär verbreitete eine Stellungnahme über Facebook, in der es hiess, Verhandlungen mit den RSF werde es nicht geben, die Gruppe müsse sich auflösen.

Aufgrund der Gefechte seien die Spitäler in der Hauptstadt Khartum überlastet, schreibt die Weltgesundheitsorganisation WHO. Es fehlten Blutkonserven und medizinisches Material sowie Fachpersonal. Zudem gebe es Wasser- und Stromausfälle. Es gebe zu wenig Treibstoff für die Stromgeneratoren in den Spitälern.

Internationale Besorgnis

UNO-Generalsekretär António Guterres forderte die Konfliktparteien auf, die Feindseligkeiten unverzüglich einzustellen. Die Staaten der Region müssten zur Entschärfung des Konflikts beitragen. Auch US-Aussenminister Antony Blinken und der EU-Aussenbeauftragte Josep Borrell forderten ein Ende der Gewalt.

Der Tschad kündigte inzwischen die Schliessung seiner über 1000 Kilometer langen gemeinsamen Grenze zum Sudan an, wie ein Regierungssprecher mitteilte.

Auch das EDA zeigte sich besorgt über die Situation. Die Schweiz rufe beide Parteien auf, die Kämpfe umgehend einzustellen, schreibt das EDA auf Twitter.

Militär hat nach dem Putsch 2019 die Macht übernommen

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Nach Massenprotesten im Sudan kam es im April 2019 zum Sturz des Langzeitmachthabers Omar al-Baschir, worauf das Militär unter Führung von General Abdel Fattah al-Burhan die Macht im Land übernahm. Die Armee und die paramilitärische Gruppe Rapid Support Forces (RSF) unter Anführer Mohammed Hamdan Dagalo übernahmen im Herbst 2021 gemeinsam die Macht. In den vergangenen Monaten wuchsen aber die Spannungen zwischen den beiden militärischen Anführern.

Erst am Donnerstag hatte die sudanesische Armee vor einer Mobilisierung der RSF gewarnt. Diese Mobilmachung stelle eine Drohgebärde gegen den Machthaber und Oberbefehlshaber der Armee, General Abdel Fattah al-Burhan dar. Weil sich RSF-Anführer Mohammed Hamdan Dagalo für einen raschen Übergang zu einer Zivilregierung ausgesprochen hat, stellte er sich damit klar gegen al-Burhan. 

Gemäss dem bisherigen Plan hätte sich General al-Burhan schon 2021 aus der Übergangsregierung zurückziehen müssen. Stattdessen putschte sich das Militär erneut an die Macht und verschob damals Wahlen auf unbestimmte Zeit. In der vergangenen Woche verschob das Militär die Ernennung eines neuen Premierministers und verzögerte damit erneut die Machtübergabe.

SRF 4 News, 15.04.2023, 12:00 Uhr ; 

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