Karl Lauterbach isst kein Salz. Das Salzlose aber bezieht sich nur aufs Essen. In der Politik salzt und pfeffert Lauterbach, was das Zeug hält. Freund und Feind lässt er damit oft ratlos zurück – gerne auch morgens um 2:37 Uhr.
So geschehen mit der Aufhebung der Isolationspflicht für Corona-Infizierte. Im Kabinett hatte sich da die FDP durchgesetzt – Lauterbach musste die neue Regel dann gegen aussen vertreten. Und erntete Kritik. Was soll das, fragten sich viele. Und dann knickte Lauterbach ein. Nicht an einer Pressekonferenz, wo solche Verkündungen eigentlich hingehören. Sondern in der Talkshow von Markus Lanz. Auf der Heimfahrt im Auto nach Berlin machte Lauterbach die Aussage noch quasi offiziell – indem er sie an seine Million Follower vertwitterte. Kurz vor drei Uhr morgens.
Lauterbach lässt sich nicht schubladisieren
Lauterbachs neuester Streich: Er orakelte in der «Bild am Sonntag» von einer neuen Corona-Variante, einer Mischung von Delta und Omikron. Der Einfachheit halber nannte er sie «Killervariante». Was soll das, fragten sich wiederum viele. Ein renommierter Virologe erklärte spitzfindig, der Begriff «Killervariante» finde sich in keinem wissenschaftlichen Wörterbuch.
Lauterbach lässt sich in keine Schublade stecken. Vor allem in keine Minister-Schublade. Er ist der geblieben, der er immer war: Der leicht überdrehte Medizin-Professor, ständig im Wahlkampf, ständig auf Draht. Fachlich weitgehend unbestritten, kommunikativ aber eine «unguided missile». Er tut all das, wovor Studentinnen und Studenten der politischen Kommunikation schon am ersten Tag des ersten Semesters gewarnt werden.
Bundeskanzler Scholz stand bei der Zusammenstellung seines Kabinetts im letzten Herbst vor einer heiklen Entscheidung. Sollte er Lauterbach zum Gesundheitsminister machen? Dafür sprach: Lauterbach ist Arzt, er kennt die Materie, ist fachlich glaubwürdig. Und, nicht weniger wichtig: Als Minister könnte er vielleicht gebändigt werden. Denn von dieser Unbändigkeit fürchtete sich Scholz massiv. Als Nicht-Gesundheitsminister würde Lauterbach jeden Satz, jeden Schritt eines anderen Gesundheitsministers öffentlich kommentieren. Es wäre der Horror. Also geschah es, dass Lauterbach, der wilde Professor, ins Kabinett kam und ein Teamplayer werden sollte.
Hoher Preis für sein Amt
Gleichsam ist der Preis relativ hoch, den Lauterbach für sein Amt bezahlt. Das macht ihn einsam. Letzte Woche deckte die Polizei einen Lauterbach-Entführungsplan von Verschwörungstheoretikern auf. Und Lauterbachs roter Smart wird immer wieder beschädigt und mit Farbe übergossen, sein Haus im Prenzlauer Berg verschmiert. Der Druck ist gewaltig, politisch und persönlich.
Grundsätzlich ist Lauterbach als Gesundheitsminister weitgehend unbestritten. Wer sollte es sonst machen? Zudem hat Scholz derzeit andere Probleme. Corona ist ein bisschen wie die Hintergrundmusik im Warenhaus. Läuft immer, aber man nimmt sie nicht mehr bewusst wahr. Ausser, wenn einer zwischendurch ein gesalzenes Solo aufs Schlagzeug pfeffert.