Paul Biya ist ein alter, gebrechlicher Mann. Bei öffentlichen Auftritten wirkt der 91-jährige Präsident Kameruns seit Jahren gesundheitlich angeschlagen, oft schläfrig, teilweise konfus. Doch so wie im vergangenen Jahr hatte man ihn bis dato noch selten gesehen.
Als Biya bei einem Besuch in Washington als Redner angekündigt wird, schleppt er sich mit Mühe auf die Bühne. Jeder Schritt scheint ihm schwer zu fallen. Er wird gestützt von zwei Begleitern. Er setzt sich schliesslich hin, wartet, ist sichtlich verwirrt. Und dann fragt er leise, aber hörbar für alle, wer denn eigentlich all diese Leute hier im Saal seien.
Am Schluss dauert es fast drei Minuten, bis Biya begreift, dass von ihm nun eine Rede erwartet wird. Eine Rede, die er schliesslich mit deutlicher Anstrengung und zittriger Stimme abliest.
Wirklich neu ist diese Erkenntnis nicht
Das Video des konfusen Auftritts des Präsidenten macht auch in Kamerun bald die Runde. Es ist für manche Beobachter so etwas wie der letzte Beweis dafür, dass Biya endgültig zu alt ist. Zu alt, um Präsident zu sein, zu alt, um sein Land in die Zukunft zu führen.
Wirklich neu ist diese Erkenntnis allerdings nicht. Biya ist seit Jahren gesundheitlich angeschlagen. Immer wieder verbringt er mehrere Wochen im Ausland und lässt sich dort pflegen. Nicht selten ist er in Genf, wo er jeweils ein ganzes Stockwerk eines Luxushotels anmietet.
Ich glaube, es ist nicht zu viel gesagt, dass die Leute vorsichtig sind in dem, was sie sagen.
Nächstes Jahr finden in Kamerun Wahlen statt, und Biya macht bisher keine Anstalten, sich aus der Politik zurückzuziehen. Dennoch: Das Alter von Biya ist im Wahlkampf bisher kaum ein Thema, zumindest nicht in der Öffentlichkeit.
Das sagt Christian Klatt. Er ist Büroleiter der deutschen Friedrich-Ebert-Stiftung in Kamerun. «Ich glaube, was man merkt, ist, dass auf jeden Fall eine gewisse Aufregung besteht in Bezug auf die Präsidentschaftswahlen im nächsten Jahr. Interessanterweise ist es aber nicht so, dass das Alter des Präsidenten gross diskutiert wird.»
Gründe für diese Zurückhaltung gibt es verschiedene. Da ist zum einen der Respekt gegenüber älteren Menschen, der in Kamerun sehr ausgeprägt ist. Zum anderen aber lässt die Regierung die Diskussion um das Alter meist gar nicht erst zu. Christian Klatt sagt dazu: «Ich glaube, es ist nicht zu viel gesagt, dass die Leute vorsichtig sind in dem, was sie sagen.»
Menschenrechtsorganisationen weisen darauf hin, dass die ohnehin starke Repression in Kamerun zuletzt noch einmal zugenommen hat. Besonders gespürt haben das in letzter Zeit jene, die sich öffentlich zur Fitness und zur Amtstauglichkeit des Präsidenten geäussert haben.
Erfahrung komme mit dem Alter
Zwei Influencer etwa, die das Alter von Paul Biya auf sozialen Netzwerken zum Thema gemacht hatten, wurden kurzerhand verhaftet. Einer von ihnen sitzt seit rund zwei Monaten ohne Anklage im Gefängnis. Laut seinen Anwälten wurde er dort gefoltert.
Dieses harte Vorgehen der Regierung führt dazu, dass kritische Fragen zum Alter des Präsidenten für viele in Kamerun schlicht tabu sind. Und wenn sie doch gestellt werden, so wie jüngst im französischen Radio, versucht die Regierung, das Blatt umzudrehen. Man müsse das relativieren, sagt der kamerunische Informationsminister dort. Schliesslich gehe es auch um Erfahrung. Und eben diese komme doch mit dem Alter.