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Lebensmittel im Nahen Osten Israels Armee zerstört palästinensische Saatgutbank

Die israelische Armee hat die Saatgutbank im besetzten Westjordanland zerstört. Den Bauern fehlt nun lokales Saatgut.

Es geschah am 31. Juli. Mit Bulldozern seien israelische Soldaten zu den Anlagen der Saatgutbank gekommen, erzählt Yasmeen el-Hasan von der palästinensischen Nicht­regierungs­organisation Union of Agricultural Work Committees (UAWC). Die Soldaten hätten die Saatgut-Vermehrungsanlage, den Hauptkontrollraum, das Stromnetz und die Wasserleitungen niedergerissen.

Die Zerstörung sei verheerend, sagt el-Hasan. «In der Saatgut-Vermehrungsanlage multiplizieren wir das lokale Saatgut, das wir dann für die kommende Saison an die Bauern verteilen.» 

Trümmer eines zerstörten Gebäudes auf einem Feld.
Legende: Die zerstörte Saatgutbank südlich der Stadt Hebron im besetzten Westjordanland. Union of Agricultural Work Committees (Yale Environment 360)

Seit 15 Jahren unterhält die UAWC die nationale palästinensische Saatgutbank südlich der Stadt Hebron im besetzten Westjordanland. Sie betreibt dort Forschung, baut Lebensmittel an und lagert Saatgut, insgesamt 80 Samensorten aus 14 Pflanzenfamilien – Gemüse, Getreide, Heilpflanzen und bedrohte Baumarten. Die Saatgutbank sei von grundlegender Bedeutung für die palästinensische Landwirtschaft, sagt Yasmeen al-Hasan.

Wichtige Ressource für kommende Generationen 

Diese Einschätzung teilt der britische Umweltjournalist Fred Pearce. Erst vor kurzem hat er für die Zeitschrift «Yale Environment 360» über Saatgutbanken in Konflikten geschrieben. «Ich war schockiert, als ich von der Zerstörung der palästinensischen Saatgutbank erfuhr», sagt er.

Die Stellungnahme Israels

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Weshalb wurde die palästinensische Saatgutbank demoliert? SRF hat bei Cogat nachgefragt, der israelischen Zivilverwaltung der besetzten Gebiete. Ein Sprecher schreibt, die Anlagen seien illegal. Die NGO, die die Saatgutbank betreibt, sei vorgewarnt worden und habe die Möglichkeit gehabt, den Zerstörungsbefehl gerichtlich anzufechten.

Die «Union of Agricultural Work Committees» (UAWC) bestreitet dies. Gemäss Völkerrecht darf die Besatzungsmacht zivile Strukturen nicht zerstören.

Was in der Antwort der Cogat unerwähnt bleibt: Israel hat die UAWC 2021 als «terroristische Organisation» eingestuft, wegen angeblicher Verbindungen zur PFLP, einer marxistisch-leninistischen Partei mit bewaffnetem Arm.

Yasmeen al-Hasan sagt dazu, die UAWC sei eine zivilgesellschaftliche Organisation, die keinerlei Verbindungen zu politischen Parteien unterhalte.

Auf Nachfrage von SRF bezüglich der unterstellten terroristischen Verbindungen der UAWC hat die Cogat nicht geantwortet.

Das Saatgut sei eine wichtige Ressource für den Nahen Osten, eine der wichtigsten Regionen für den weltweiten Anbau von Nahrungsmitteln. «Bis jetzt waren die Samen trotz des Konflikts gut aufbewahrt worden. Die Saatgutbank war ein leuchtendes Beispiel dafür, wie Landwirte und Forscher ihr Saatgut für den künftigen Gebrauch aufbewahren», sagt Pearce.

Für die Ernährungssicherheit auch kommender Generationen spielten Saatgutbanken eine entscheidende Rolle. «Besonders traditionelle Pflanzen sind genetisch wertvoll und können mittels Kreuzung zur Entwicklung hitze- oder salzresistenter Nutzpflanzen beitragen.» Gerade in Zeiten des Klimawandels sei das zentral. 

Angriff auf Ernährungssouveränität 

«Es ist schwierig zu verstehen, was in den Köpfen der Menschen vorgeht, die entscheiden, eine solche Ressource anzugreifen», sagt Journalist Pearce: «Diese Samen sind nicht nur wertvoll für die Palästinenser, sondern potenziell auch für die Israeli, Syrer, Libanesen, Iraker und Jordanier – und für die ganze Welt. Der Nahe Osten ist die Region, in der organisierte Landwirtschaft entstanden ist. Von dort stammen Weizen und Gerste. Wer dieses Saatgut zerstört, schadet sich selbst.»

Ein Mann lässt Sesamkörner durch die Hände fallen unter blauem Himmel.
Legende: Ein palästinensischer Bauer erntet Sesamsamen auf einem Feld bei Sanour im Westjordanland bei Jenin. (Archivbild 2013) REUTERS / Abed Omar Qusini

Yasmeen al-Hasan spricht von einem gezielten Angriff auf die palästinensische Ernährungssouveränität. Es sei der Versuch Israels, den Palästinensern und Palästinenserinnen im Westjordanland die Existenzgrundlage wegzunehmen.

Ackerflächen im Gazastreifen sind verschwunden

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Zwei Personen pflücken Erdbeeren auf einem Feld im Gazastreifen.
Legende: Im Gazastreifen wurden auch Erdbeeren angepflanzt. (Archivbild 2013) Reuters / Mohammed Salem

Nach fast zwei Jahren Krieg ist die Infrastruktur im Gazastreifen weitgehend zusammengebrochen. Von der grossen Zerstörung ist auch die Landwirtschaft betroffen: Die israelische Armee hat Obstgärten, Treibhäuser und Felder zerstört. Laut neusten Angaben der UNO sind nur noch 1.5 Prozent der Ackerfläche nutzbar. Vor dem Krieg machte die Landwirtschaft zehn Prozent der Wirtschaftsleistung Gazas aus. Es wurden Früchte, Gemüse, Nüsse und Getreide angebaut. Besonders bekannt und beliebt: Erdbeeren aus Gaza.

Qu Dongyu, Generaldirektor der FAO, der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der UNO, betont, das Recht auf Nahrung sei ein grundlegendes Menschenrecht. In Gaza hungerten die Menschen nicht nur, weil nicht genügend Hilfsgüter in das Gebiet durchgelassen würden, sondern auch, weil lokale Agrar- und Ernährungssysteme zusammengebrochen seien.

«Wenn ein Volk sich nicht von seinem Land ernähren kann, wie kann es dann dort bleiben?», fragt sie rhetorisch: «Es gibt hier eine deutliche Metapher: Samen sind in der Erde verwurzelt. Die Israeli wollen die palästinensischen Samen zerstören, um uns zu entwurzeln.»

Rendez-vous, 13.08.2025, 12:30 Uhr; noes

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