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Lockerungen in Frankreich «Die Leute haben Cafés und Bars extrem vermisst»

Die französische Regierung hat am Abend weitere Lockerungen der Corona-Beschränkungen angekündigt. Sie setzt auf ein Ampelsystem bei der Risikoeinschätzung in einzelnen Regionen. Jetzt ist fast das ganze Land grün. Es gibt nur noch wenige orange Gebiete – etwa den Grossraum Paris. SRF-Korrespondent Daniel Voll lebt dort und kennt die Gründe für die fortbestehenden Einschränkungen in der Hauptstadt.

SRF News: Wie sind die Reaktionen in den Medien auf die Lockerungen?

Daniel Voll: Grundsätzlich sind die Leute erleichtert, auch wenn einige Politiker aus der Opposition diese lieber noch schneller gehabt hätten. Aber grundsätzlich sind die Leute froh, dass nun auch Cafés, Bars und Restaurants wieder öffnen. Zumindest in den Regionen, die auf der Karte grün sind. Es gibt die Hoffnung, dass nun auch der Tourismus wieder in Schwung kommt. Positiv ist das Echo aber auch in den Gebieten, die auf der Karte weiterhin orange sind, nicht mehr rot. Auf dem Festland ist dies nur noch die Region Île-de-France mit der Stadt Paris. Aber auch dort wird es Erleichterungen geben.

Karte Frankreichs, alles grün ausser erwähnte Region(en)
Legende: Nur die Île-de-France, Mayotte und Guayana sind noch orange auf der offiziellen Karte. Ministère des Solidarités et de la Santé

Wie muss man sich den Alltag dort ab Dienstag vorstellen?

In den orangen Gebieten, in Paris und den umliegenden Departementen, können Cafés und Bars auch öffnen – wenn sie eine Terrasse haben und ihre Gäste draussen bewirten können. Das war bisher nicht möglich und ist auch etwas, das die Leute extrem vermisst haben. Was sich auch ändern wird, ist, dass die Parks aufgehen. Die Stadt Paris sagte schon lange, sie wolle sie öffnen, weil die Leute bei den engen Wohnverhältnissen diesen Grünraum bräuchten. Die Landesregierung hatte in den letzten drei Wochen aber auf stur geschaltet und gesagt, sie blieben zu. Nun können sie geöffnet werden.

Der Grossraum Paris bleibt eine orange Zone. Wieso?

Auch in der Region Paris ist die Zahl der Neuansteckungen in den letzten Wochen gesunken. Aber im Vergleich zu anderen Regionen gibt es in der Hauptstadt nach wie vor überdurchschnittlich viele neue Fälle. Die Plätze in den Intensivstationen sind etwa zu 40 Prozent durch Covid-Patientinnen und Patienten ausgelastet.

Die Einschränkungen bleiben im Vergleich zur Schweiz grösser.

Eine weitere Überlegung ist auch, dass in der Region Paris die Arbeitswege deutlich länger sind als anderswo. Das heisst, die Leute brauchen den öffentlichen Verkehr durchschnittlich 45 Minuten, und der öffentliche Verkehr gilt als Risiko. Wer ihn in den nächsten Wochen zu Spitzenzeiten nutzen will, muss weiterhin eine Erklärung in der Tasche haben die besagt, dass die Person dies für die Arbeit unbedingt machen muss.

Gilt ab dem 15. Juni quasi wieder Normalität in Frankreich?

Normalität würde ich das nicht nennen. Das gilt für Frankreich noch mehr als in der Schweiz, zum Beispiel dürfen sich in Frankreich höchstens zehn Personen in Gruppen versammeln. Mehr ist verboten. Das ist weit weniger, als in der Schweiz möglich sein wird. Auch die Einschränkungen im Sport sind grösser. Frankreich hat mit der Ausgangssperre Mitte März die Bewegungsfreiheit der Bürgerinnen und Bürger viel stärker eingeschränkt als die Schweiz. Nun versucht die Regierung, diese Einschränkung zu lockern, und zu vermitteln, dass alle selber Verantwortung übernehmen müssen, wenn sich die Lage mittel- und langfristig verbessern soll.

Das Gespräch führte Roger Aebli.

SRF 4 News, 29.05.2020, 07.15 Uhr ; 

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