Der Bürgerkrieg im Jemen war in den vergangenen rund zehn Jahren vor allem durch die Huthi-Miliz geprägt, die seit 2014 die Hauptstadt Sanaa und den bevölkerungsreichen Norden des Landes kontrolliert. Nun kommt eine neue Konfliktsituation dazu: Diesen Monat sind Separatisten im Süden des Landes vorgerückt, wo sie unter anderem die Kontrolle über Ölanlagen und Militärbasen übernommen haben sollen. Nahostexpertin Gudrun Harrer zur jüngsten Entwicklung.
SRF News: Was ist in den letzten Tagen im Jemen passiert?
Gudrun Harrer: Die Nachricht kam etwas überraschend. Der südliche Übergangsrat, Regierung und politischer Arm einer Sammelbewegung von Separatisten-Milizen, kontrolliert nach eigenen Angaben wieder das gesamte Territorium des früheren Südjemens. Dazu gehören die Hauptstadt Aden sowie die sehr grosse Provinz Hadramaut mit den Ölfeldern, die 80 Prozent des jemenitischen Öls ausmachen. Es gab Kämpfe in Hadramaut, wo Separatisten-Milzen lokale Stammesmilizen besiegten, die vor nicht langer Zeit die Ölfelder übernommen hatten.
Die Idee eines südlichen Staates, auch Südarabien genannt, gibt es schon lange.
Welches Ziel verfolgen die Separatisten?
Ziel der Separatisten ist die Gründung eines eigenen Staates. Die Idee eines südlichen Staates, auch Südarabien genannt, gibt es schon lange. Schon der Name zeigt, dass hier ein völliger Bruch angestrebt werden soll. Der Süden fühlte von der Hauptstadt Sanaa im Norden schon immer marginalisiert und ausgebeutet.
Was bedeutet das für die Huthi-Miliz, die die Hauptstadt und den Norden kontrolliert?
Der südliche Übergangsrat gehört institutionell auch zur internationalen Übergangsregierung mit einem präsidentiellen Führungsrat. Das ist eigentlich der Feind der Huthis. Die südliche Gruppe hat diesen präsidentiellen Rat verlassen. Sie ist Feind der Huthis, aber auch Feind dieses präsidentiellen Führungsrats, der die Huthis bekämpft. Das bedeutet, dass die international anerkannte Regierung Aden verloren hat. Für die Huthis ist das an sich gut. Denn für die südlichen Separatisten ist der Kampf gegen die Huthis nicht prioritär. Damit hat die jüngste Entwicklung auf die Huthis keinen unmittelbaren Einfluss.
Welche Rolle spielen die Golfstaaten?
Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate haben bei der Bekämpfung der Huthis und des iranischen Einflusses zusammengearbeitet. Dabei zeigten sich sehr früh unterschiedliche Interessen. So ist es für die VAE ganz typisch, dass sie auch im Jemen Separatisten unterstützen, um sich Einfluss am Golf von Aden und am Eingang zum Roten Meer zu sichern. Das ist diametral gegen die Interessen von Saudi-Arabien. Einen gleichen Konflikt gibt es zwischen Saudi-Arabien und den Emiraten auch im Sudan.
Die Spaltungsgefahr ist real, aber nicht erst seit Kurzem.
Für wie gross halten sie die Gefahr, dass es erneut zu einer Spaltung des Jemens kommt?
Diese Gefahr ist schwer zu quantifizieren. Der Jemen ist de facto schon lange zerfallen und ein sehr fragiles Gebilde. Das Land würde also nicht sauber in zwei Hälften zerfallen. Die südliche Peripherie im Jemen war immer marginalisiert und gehörte nie so richtig zum Zentrum. Süden und Norden haben auch eine völlig unterschiedliche Geschichte. Die Spaltungsgefahr ist also real, aber nicht erst seit Kurzem. Dazu kommen besonders im Süden die islamistisch-dschihadistischen Gruppen wie Al Kaida und Islamischer Staat.
Das Gespräch führte Brigitte Kramer.