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Machtkampf in der Partei «Offen rechtsextreme AfD käme kaum auf zehn Prozent»

Der als gemässigt geltende bisherige Parteichef der AfD, Jörg Meuthen, ist vor gut einer Woche zurückgetreten. Inzwischen ist er auch aus der rechtspopulistischen Partei ausgetreten.

Er habe den Machtkampf gegen den rechtsextremen Flügel verloren; die AfD sei ihm zu rechts geworden, begründet Meuthen den Parteiaustritt. Der Politologe Eric Linhart sieht das etwas differenzierter.

Eric Linhart

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Der deutsche Politologe und Parteienforscher Eric Linhart ist Professor an der Technischen Universität in Chemnitz .

SRF News: Wird die AfD nach Meuthens Rücktritt jetzt definitiv zur rechtsextremen Partei?

Eric Linhart: «Der Flügel» innerhalb der AfD war ja schon immer rechtsextrem – deshalb ist es bloss eine Frage der Zeit, bis die gesamte AfD vom Verfassungsschutz als Verdachtsfall beobachtet werden wird. Die Gruppe um Meuthen war in letzter Zeit ohnehin in der Minderheit, sodass es konsequent ist, dass er die Partei jetzt verlässt.

Meuthen sieht seinen Kurs als «gescheitert»

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Jörg Meuthen
Legende: Reuters

Jörg Meuthen gab am 28. Januar seinen Rücktritt als Vorsitzender sowie den Austritt aus der Partei bekannt. «Grosse Teile der Partei und mit ihr etliche ihrer führenden Repräsentanten haben sich für einen immer radikaleren, nicht nur sprachlich enthemmten Kurs, für politische Positionen und verbale Entgleisungen entschieden, die die Partei in vollständige Isolation und immer weiter an den politischen Rand treiben», begründete er seine Entscheidung. In der Mitteilung schrieb er weiter, sein Kampf für einen «strikt vernunftgeleiteten und massvollen Kurs der Partei» sei offensichtlich gescheitert.

Meuthen war im Sommer 2015 als einer von zwei Co-Vorsitzenden an die Parteispitze gewählt worden, damals an der Seite von Frauke Petry, die gut zwei Jahre später unter Verweis auf einen von ihr wahrgenommenen Rechtsruck der AfD die Partei verliess. Während das Verhältnis der beiden als angespannt galt, kam Meuthen mit dem späteren Co-Vorsitzenden Alexander Gauland lange Zeit gut zurecht. Meuthen plädierte in den vergangenen zwei Jahren wiederholt für einen gemässigteren Kurs der AfD. Damit machte er sich Feinde, vor allem in der Rechtsaussen-Strömung um den Thüringer Landeschef Björn Höcke und dessen «Flügel». Zuletzt hatte es für Meuthens Vorschläge im Bundesvorstand teilweise keine Mehrheiten mehr gegeben. (dpa)

Meuthen hat sich in den letzten Tagen so dargestellt, als ob er der letzte in der AfD gewesen sei, der noch für Rechtsstaatlichkeit einstand. Stimmt das?

Es gibt in der AfD durchaus noch einige Personen, welche dieselben Positionen wie Meuthen vertreten. Ausserdem trifft auch auf Meuthen das Label «gemässigt» nur bedingt zu. So hatte beispielsweise der Gründer der AfD, Bernd Lucke, wirklich gemässigte Positionen vertreten, wogegen Meuthen ganz anders politisiert hat.

Meuthen stellte sich lange gut mit dem rechtsextremen ‹Flügel› – um seine Machtbasis zu stärken.
Autor:

Meuthen stellte sich lange Zeit gut mit dem rechtsextremen «Flügel», um seine Machtbasis zu stärken. Erst, als er feststellte, dass das seiner weiteren Karriere nicht zuträglich ist, schlug er einen anderen Weg ein. Deshalb ist die Behauptung, er grenze sich aus inhaltlichen Gründen von der AfD ab, wenig überzeugend.

Björn Höcke.
Legende: Zentrale Figur des aufgelösten «Flügels», einer vöklisch-rechtesextremen Strömung innerhalb der AfD, ist Björn Höcke, AfD-Parlamentarier in Thüringen. Keystone

Nichtsdestotrotz sagt Meuthen, die AfD sei ihm zu rechts geworden. Stellen Sie als Politologe einen solchen Rechtsruck der AfD ebenfalls fest?

Nur bedingt. Denn die Leute, die im offiziell 2020 aufgelösten «Flügel» unterwegs waren, sind jetzt wieder normale AfD-Mitglieder, vertreten aber immer noch dieselben rechtsextremen, völkischen Positionen wie vor zwei, drei Jahren. Und damals arbeitete Meuthen mit ihnen zusammen.

Die Leute des ‹Flügels› vertreten immer noch dieselben Positionen.
Autor:

Als Gesamtpartei ist die AfD deshalb vielleicht tatsächlich etwas nach rechts gerückt, weil sich die Leute aus dem «Flügel» jetzt etwas stärker durchsetzen können.

Stärkste Partei in Sachsen und Thüringen

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Seit ihrer Gründung 2013 hat sich die AfD (Alternative für Deutschland) deutlich nach rechts bewegt. Bei der letzten Bundestagswahl im September 2021 ging ihr Stimmenanteil deutschlandweit von 12.6 auf 10.3 Prozent zurück. In den östlichen Ländern Sachsen und Thüringen wurde die AfD allerdings stärkste Partei. (dpa)

Welcher Teil der AfD vertritt die Wählerinnen und Wähler eher: der gemässigte Teil oder der rechtsextreme mit den ehemaligen Mitgliedern des «Flügels»?

Das ist je nach Bundesland unterschiedlich. In Sachsen etwa vertritt praktisch die gesamte AfD ziemlich einhellig den «Flügel». Hier weinen die Parteimitglieder – und die Wählerschaft – Meuthen wohl wenig Tränen nach.

In Sachsen weint die AfD Meuthen nur wenig Tränen nach.
Autor:

In anderen Landesverbänden ist es schwieriger zu sagen, weil die Flügelkämpfe auch innerhalb der Landesverbände im Gang sind. Dort können beide Parteiflügel auf Wählerinnen und Wähler zählen.

Vor der letzten Bundestagswahl sagten Sie, das Wählerpotenzial der AfD sei mit rund zehn Prozent ausgeschöpft. Gilt das auch, wenn die AfD künftig rechtsextremer politisieren würde?

In diesem Fall würde ihr Wählerpotenzial bundesweit eher noch zurückgehen. Eine eindeutig rechtsextreme Partei würde in Deutschland vermutlich nicht auf zehn Prozent der Wählerstimmen kommen – auch wenn das in einzelnen Bundesländern durchaus etwas anders aussehen kann.

Das Gespräch führte Roger Brändlin.

SRF 4 News, Echo der Zeit vom 5.2.2022, 18.00 Uhr ; 

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