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Machtkampf in Venezuela «Das kubanische Drehbuch, nach dem Politik gemacht wird»

Der Umsturzversuch des selbsternannten Übergangspräsidenten Venezuelas, Juan Guaidó, ist gescheitert – zumindest vorläufig. Das Militär ist nicht zur Opposition übergelaufen. Dabei habe auch das kubanische Regime eine wichtige Rolle gespielt, sagt Michael Castritius, Journalist in Mexiko-Stadt.

Michael Castritius

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Michael Castritius war während vieler Jahre Mittelamerika-Korrespondent der ARD und ist nun als freier Journalist in Mexiko tätig.

SRF News: Desertierte Soldaten berichten, Militärberater und Geheimdienstleute aus Kuba hätten gewaltigen Druck auf Ameeangehörige ausgeübt. Wie glaubhaft ist diese Darstellung?

Michael Castritius: Es gibt keine offiziellen Zahlen, weder von der kubanischen Regierung noch von der venezolanischen. Sicher aber ist, dass es jede Menge kubanische Berater gibt in Venezuela. Das berichten Venezolaner, die Kontakt zu Kubanern in allen möglichen Behörden und Ministerien haben. Es gibt Militärangehörige die erzählen, dass es kubanische Berater in der Armee gibt.

Die Militärs haben viel zu verlieren, wenn die Regierung gestürzt wird.

Die Kubaner haben den Venezolanern beigebracht, dass es sinnvoll ist, vor allem den Führungskräften im Militär wirtschaftliche Macht zu geben und sie einzubinden. Denn dann haben diese viel zu verlieren, wenn die Regierung gestürzt wird. Das ist das, was man im Moment in Venezuela sieht: Dass das Militär an Nicolás Maduros Seite bleibt und nicht zur Opposition wechselt.

Kubas Einfluss in Venezuela ist also ziemlich gross?

Wenn man als Korrespondent beide Länder kennt, merkt man, dass es viele Parallelen gibt. Das beginnt schon mit dem Visum, das man als Journalist braucht, wenn man in diese Länder reisen will. Nach Venezuela konnte man früher einreisen und frei arbeiten. Dann hat die Regierung in Caracas von Kuba gelernt, dass es Sinn macht, ausländische Korrespondenten zu kontrollieren.

Hat US-Präsident Donald Trump Recht wenn er sagt, Kuba kontrolliere die politische Elite Venezuelas, die Streitkräfte und den Geheimdienst?

Beim Geheimdienst ist dies relativ gesichert, denn es gibt sogar Berichte von kubanischen Geheimdienstlern, die bei Oppositionellen in die Wohnung gekommen sind, um sie zu warnen oder zu ermahnen. Bei der politischen Elite – der sozialistischen Partei – ist der Einfluss Kubas sehr deutlich.

Den Venezolanern geht es inzwischen schlechter als den Kubanern.

Das fing bereits mit Hugo Chávez an, Maduros Vorgänger. Schon er hatte Fidel Castro als seinen politischen Ziehvater gesehen. Er hatte damals Verstaatlichungen durchgeführt und dadurch die Produktion im Lande zerstört. Er hat eine desaströse Devisenkontrolle eingeführt, genau wie die Kubaner. Die Spätfolgen sehen wir heute. Den Venezolanern geht es punkto Lebensmittelversorgung inzwischen schlechter als den Kubanern.

Wie beurteilt die Bevölkerung in Venezuela die Rolle Kubas?

Diejenigen, die es sich leisten können, reisen aus. Das dient als Ventil. Wenn man mit Oppositionellen spricht, erzählen sie fast immer vom Hass auf die Kubaner, die im Land sind, und auf die kubanische Regierung. Man spricht in Venezuela gerne vom kubanischen Drehbuch, nach dem Politik gemacht werde und nachdem die Verantwortlichen im Lande handeln.

Kuba muss also am Regime festhalten?

Es ist undenkbar, dass sich Kuba auf die Seite von Guaidó stellt, denn er ist ein enger Verbündeter der USA. Kuba ist zudem abhängig von Venezuelas Öllieferungen. Ökonomen gehen davon aus, dass die Wirtschaft Kubas um bis zu 15 Prozent einbrechen würde, sollte der Kontakt zu Venezuela abbrechen.

Wenn die Opposition in Venezuela an die Macht käme, stünde Kuba ohne Öllieferungen da.

Das wäre der Fall, wenn die Opposition in Venezuela an die Macht käme, dann stünde man ohne Öllieferungen da. Und dieses Öl braucht Kuba nicht nur für sich, sondern zum Teil hat es dieses Öl auch weiterverkauft gegen Devisen.

Das Gespräch führte Barbara Büttner.

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