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Machtwechsel in Kasachstan Ein überraschender Rücktritt mit viel Kalkül

Dass er ausgerechnet heute zurücktreten würde, damit haben selbst Experten der Region Zentralasien nicht gerechnet. Seit der Sowjetzeit hielt sich Nursultan Nasarbajew an der Spitze der Macht in Kasachstan. Die Methoden seines Machterhalts sind umstritten seit er 1991 zum ersten Mal zum Präsidenten gewählt wurde.

Berüchtigt für seinen autokratischen Führungsstil wurde Nasarbajew zuletzt 2015 mit einem Wahlresultat von 97 Prozent der Stimmen wiedergewählt. Die politische Opposition, so der Vorwurf, habe Nasarbajew seit Amtsantritt gezielt unterdrückt. Sein Rücktritt bedeutet das Ende einer Ära, da mit Nasarbajew der letzte sowjetische Politiker, der durchgehend an der Macht war, sein Amt abgibt. Doch die Kontrolle über Kasachstan tatsächlich abgegeben, hat er damit noch nicht.

Von langer Hand geplant

Hinter den Kulissen scheint der 78-Jährige den Rücktritt akribisch geplant zu haben. Experten sehen darin den Versuch, Nasarbajews Macht und Kapital auch über den Tod hinaus für seine Familie zu bewahren. Wie in vielen ehemaligen Sowjetrepubliken Zentralasiens sind auch in Kasachstan Familienangehörige des Präsidenten in wichtigen Positionen in Wirtschaft und Politik vertreten.

Für die Verbindungen in die Schweiz erlangten Nasarbajew und mit ihm die gesamte kasachische Elite zweifelhafte Berühmtheit. 2009 kaufte sich die kasachische Präsidententochter am Genfersee eine Villa für 74 Millionen Franken. Die Schweizer Bundesanwaltschaft ermittelte gegen die Tochter Nasarbajews wegen Geldwäscherei.

Zu seinem Reichtum kommt Kasachstan in erster Linie wegen seiner grossen Öl-Vorkommen. Hinzu kommt die strategisch wichtige Lage des Landes zwischen China und Russland.

Neue Wege der Machterhaltung

Der Tod des usbekischen Autokraten Karimow im September 2016 dürfte Nasarbajew vor Augen geführt haben, dass eine Amtszeit bis ins Grab ein Risiko für die Machtübergabe an Familie und enge Vertraute darstellt. Dafür spricht, dass Nasarbajew seit 2016 mehrere Schritte in die Wege geleitet hat, um die eigene Machtübergabe stärker unter Kontrolle zu haben. So ernannte er einen engen Vertrauten zum Nachfolger bis zu den Wiederwahlen im kommenden Jahr.

Über die Neuwahlen hinaus behält Nasarbajew den Vorsitz im Sicherheitsrat des Landes. Nicht ohne Zufall wurden dem Sicherheitsrat im Sommer vergangenen Jahres grössere Entscheidungsbefugnisse eingeräumt. In Moskau verfolgt man die Entwicklung in Kasachstan mit grossem Interesse. Denn auch wenn die vierte Amtszeit von Wladimir Putin noch bis 2024 dauert, wird die Nachfolge bereits diskutiert. Mit seinem heutigen Rücktritt ohne Kontrollverlust zeigt Nasarbajew Putin möglicherweise einen Weg, um an der Macht zu bleiben – fern von demokratischen Hürden.

Luzia Tschirky

Russland-Korrespondentin

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Luzia Tschirky ist SRF-Korrespondentin für die Region Russland und die ehemalige UdSSR.

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