Folgende Szene hat das französische Fernsehen nach der Urteilseröffnung mehrfach wiederholt. Justizminister Eric Dupond-Moretti verlässt den Gerichtssaal, richtet kurz die Augen gen Himmel und geht dann wortlos an denen vorbei, die auf ihn gerichtet sind.
Ein theatralischer Auftritt, typisch für Dupond-Moretti. Er war vor seiner Ernennung zum Justizminister einer der prominentesten Strafverteidiger Frankreichs. Streitbar und bekannt für seine grossen Auftritte vor Gericht.
Einer der grossen Gerichtstenöre, wie die bekannten Anwälte auch genannt werden. Erfolgreich und selbstbewusst: Keiner habe vor Gericht so viele Prozesse gewonnen wie er, sagte Anwalt Dupond-Moretti über sich selbst.
Im Zweifel für den Angeklagten
Seine Ernennung zum Justizminister löste darum vor drei Jahren Unruhe bei Staatsanwälten und Richtern aus. Und nach wenigen Monaten zogen ihn die Gewerkschaften der Justizbeamten vor Gericht: Er habe als Minister mehrfach alte Rechnungen aus seiner Zeit als Strafverteidiger beglichen und missliebige Beamte disziplinarisch bestraft.
Diesen Vorwurf hat der Gerichtshof im Kern nicht bestritten: Es gab Interessenskonflikte – dies war aufgrund von Dupond-Morettis Vergangenheit als streitbarer Verteidiger wohl auch nicht anders möglich. Aber dass der Minister sein Amt bewusst missbraucht habe, sei nicht erwiesen. Der Freispruch folgt dem Grundsatz: im Zweifel für den Angeklagten.
Er hat Macron im Rücken
Die unmittelbare Konsequenz des Urteils: Eric Dupond-Moretti bleibt Justizminister. Er geniesst offensichtlich auch die Unterstützung von Präsident Macron, der ihn auch nach der Anklage nicht hat fallen lassen. Denn der ehemalige Staranwalt ist inzwischen als Justizminister auch in der Politik zu einem politischen Schwergewicht geworden.
Mit dem Freispruch gerät aber der Gerichtshof für die Republik ins Zentrum der Kritik. Es ist ein Sondergericht, das Fälle gegen Mitglieder der Regierung beurteilen muss, die sie im Amt begangen haben. Ein politisches Gericht: 12 von 15 Richterinnen und Richter sind Mitglieder des Parlaments. Der Verdacht, dass auch die Urteile politisch motiviert seien, taucht regelmässig auf.
Auch diesmal forderten Teile der Opposition umgehend, dass der Gerichtshof abgeschafft werde. Dies hatte in seinem 1. Wahlkampf auch Emmanuel Macron verlangt – hat als Präsident aber keine Taten folgen lassen.