Frankreichs Verfassungsrat hat das neue Migrationsgesetz deutlich zerpflückt . Er hat 32 von 86 Artikeln als verfassungswidrig kritisiert und zurückgewiesen. Damit werden zahlreiche Verschärfungen wieder aus dem Gesetz gestrichen, die die parlamentarische Rechte im Dezember hineingeschrieben hatte.
Kritik am Verfahren
Es geht um Barrieren bei der Familienzusammenführung, um längere Wartefristen für Ausländerinnen und Ausländer bei Sozialleistungen und Vergünstigungen. Das Gesetz verfügte auch höhere Gebühren für ausländische Studentinnen und Studenten und sah vor, dass ein illegaler Aufenthalt in Frankreich künftig wieder als Straftat gelten sollte.
Dies sind einige der Verschärfungen, die der Verfassungsrat nun wieder aus dem Gesetz gestrichen hat. Allerdings mehr aus formalen und weniger aus inhaltlichen Gründen. Denn in der Substanz nimmt der Verfassungsrat in seinem Urteil kaum je Stellung.
Er kritisiert, dass diese Artikel erst im Verlauf der parlamentarischen Beratung ins Gesetz aufgenommen worden seien, ohne einen engeren inneren Zusammenhang mit dem ursprünglichen Migrationsgesetz der Regierung. Diese hatte einfachere Regeln für die Behandlung von Asylgesuchen sowie für die Ausweisung verlangt, sollte gleichzeitig aber auch die Integration von Migranten erleichtern.
Rechte will Frankreich für Migration unattraktiv machen
Während der Beratung im Parlament verlor die Regierung allerdings sehr schnell die Kontrolle. Weil die Regierung in der Nationalversammlung keine eigene Mehrheit hat, braucht sie Verbündete, die sie auf der rechten Seite zu finden hoffte. Und diese forderte aus dieser Position der Stärke zahlreiche Verschärfungen, die Frankreich als Migrationsland unattraktiv machen sollten.
So kamen zahlreiche Bestimmungen ins Gesetz mit der Stossrichtung, die Rechts-Nationalisten wie Marine Le Pen schon lange forderten: «Les Français d’abord – Franzosen zuerst.» Sie war die eigentliche Siegerin der Migrationsdebatte, obwohl sie kaum je das Wort ergriff.
Unmittelbar nach der Schlussabstimmung legte Präsident Macron das neue Gesetz dem Verfassungsrat vor. Der nun einen grossen Teil der Einschränkungen wieder rückgängig gemacht hat.
Gesetz ist wieder auf Feld eins
Nun ist wieder Präsident Macron am Zug. Er kann entweder eine neue Gesetzesvorlage ausarbeiten lassen – oder jene Teile in Kraft setzen, die der Verfassungsrat nicht kritisiert hat. Er hat allen Grund, diesen zweiten Weg zu gehen. Denn jetzt entspricht das Migrationsgesetz wieder dem Entwurf, den die Regierung vor einem Jahr präsentiert hat.
Der Verfassungsrat hat die Angelegenheit für den Präsidenten wieder gerade gebogen.
Und trotzdem ist der Entscheid der Verfassungshüter auch eine Rüge an den Präsidenten. Er hatte im Verlauf des politischen Handels nämlich zahlreiche Konzessionen gemacht, weil er seine Prestigevorlage retten wollte.
Das Migrationsgesetz bekommt Macron nun. Seine Hauptkonkurrentin Marine Le Pen kann sich trotzdem freuen. Wenn Macron künftig Le Pens Kurs kritisiert, wird sie kontern, dass auch er im Zweifelsfall für «Les Français d’abord» stimmt, wenn es seinen eigenen Interessen dient.