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Macrons Rentenreform Warten auf das Verfassungsgericht in Frankreich

Der Verfassungsrat entscheidet heute darüber, ob die Französinnen und Franzosen künftig bis 64 Jahre arbeiten müssen.

Frankreichs Verfassungsrat – ein Gremium aus neun vom Staatspräsidenten ernennten Persönlichkeiten – entscheidet heute Freitag über die Zukunft der umstrittenen Rentenreform von Präsident Emmanuel Macron. Das Urteil der obersten Hüter der französischen Verfassung wird am Abend erwartet.

Die Instanz kann die von der Regierung beschlossene Rentenreform ganz oder in Teilen kippen – oder für verfassungskonform erklären. Die Entscheidung wird beeinflussen, ob das Land nach monatelangem Streit um die schrittweise Anhebung des Renteneintrittsalters von 62 auf 64 Jahre wieder etwas zur Ruhe kommt.

Darum geht es bei der Rentenreform

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Macron und die Mitte-Regierung wollen das Renteneintrittsalter schrittweise von 62 auf 64 Jahre anheben, um ein drohendes Loch in der Rentenkasse zu verhindern. Auch die Einzahldauer für eine volle Rente soll steigen. Derzeit liegt das Renteneintrittsalter in Frankreich bei 62 Jahren. Tatsächlich beginnt der Ruhestand im Schnitt jedoch später: Wer für eine volle Rente nicht lange genug eingezahlt hat, arbeitet länger. Mit 67 gibt es dann unabhängig von der Einzahldauer Rente ohne Abschlag. Das will die Regierung beibehalten.

Macrons Regierung hatte die Rentenreform Anfang April durch eine spezielle Verfassungsregelung unter Umgehung einer Abstimmung in der Nationalversammlung auf den Weg gebracht. Dafür musste sich die französische Regierung zwei Misstrauensabstimmungen stellen, die sie nur knapp überstand. Nun will Macron die Reform bis zum Jahresende in Kraft setzten.

Kassierung kaum wahrscheinlich

Nach den heftigen Debatten im Parlament haben sowohl Premierministerin Élisabeth Borne als auch Abgeordnete und Senatoren den Verfassungsrat gebeten, die Reform zu prüfen. Die Abgeordneten kritisieren etwa, dass die Regierung die Reform in einem Haushaltstext verpackt und die Debattenzeit verkürzt hat.

Der Verfassungsrat kann den Text nun vollständig kippen, was allerdings als unwahrscheinlich gilt. Seit seiner Gründung 1958 hat der Verfassungsrat nur 17 Gesetze komplett kassiert. Sollte dies geschehen, wäre die Reform gescheitert und Macron und die Regierung enorm geschwächt. «Das wäre für die Regierung eine totale Blamage», sagt SRF-Korrespondent Daniel Voll in Paris.

Macron wäre dann mit der laut seinen eigenen Worten wichtigsten Reform seiner Präsidentschaft krachend gescheitert. Allerdings könnte die Regierung theoretisch versuchen, ihr Vorhaben in anderer Form neu auf den Weg zu bringen.

Teile der Reform könnten kassiert werden

Die Reform könnte vom Verfassungsrat auch vollständig gebilligt werden oder – und das gilt Beobachtern zufolge als wahrscheinlicher Ausgang – in weiten Teilen. Sollte der Verfassungsrat bestimmte Passagen kassieren, müsste Macron vorerst auf diese verzichten, könnte den Rest der Reform aber offiziell machen. Die gestrichenen Passagen könnte die Regierung dann in einem neuen Arbeitsgesetz angehen.

Allenfalls könnte Macron das Gesetz auch einfach nicht umsetzen lassen, sollten gewisse Teile kassiert werden, wie Korrespondent Voll weiss. Allerdings: «Wieso sollte er jetzt noch nachgeben, wenn er die Rentenreform mit der Brechstange hat durchs Parlament bringen lassen?»

Entscheidung wird Einfluss auf Protest haben

Auch wenn die Entscheidung des Verfassungsrats von Gewerkschaften und Opposition grösstenteils respektiert werden dürfte, heisst das nicht, dass die Proteste mit dem Urteil vorbei sind. Eine Validierung der Reform könnte die Krise auch verschärfen und eine Wiederaufnahme des Dialogs verhindern, befürchten Beobachter.

Urteil über mögliches Referendum

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Der Verfassungsrat entscheidet auch darüber, ob das Verfahren für eine mögliche Volksabstimmung über die Deckelung des Rentenalters in Frankreich bei 62 Jahren in die Wege geleitet werden kann. Das Verfahren ist aber nur eine schwache Waffe der Reformgegner. Auch wenn das Verfassungsgericht hierzu grünes Licht gibt, könnte das kaum verhindern, dass Macrons Reform in Kraft tritt.

Und: Es ist grundsätzlich sehr unwahrscheinlich, dass es tatsächlich zu einem Referendum kommt – noch nie war das in Frankreich der Fall. Denn selbst wenn die nötigen 4.9 Millionen Unterschriften innert neun Monaten zusammenkommen, könnte die Regierung eine Volksabstimmung verhindern, indem sie den Vorschlag im Parlament diskutieren lässt.

Manche der Gewerkschaften haben angekündigt, während mindestens eines halben Jahres keine Streiks oder Proteste mehr organisieren zu wollen. Allerdings wollen sie weiter versuchen, die Umsetzung der Reform zu verhindern, etwa durch die Sammlung von Unterschriften, falls der Verfassungsrat für die Möglichkeit einer Volksabstimmung grünes Licht gibt.

SRF 4 News, 14.4.2023, 07:20 Uhr ; 

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