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Massenproteste im Libanon Erneut fordern Tausende den Rücktritt der Regierung

  • Im Libanon haben am Sonntag erneut Tausende Menschen an regierungskritischen Protesten teilgenommen.
  • Ministerpräsident Saad Hariri setzte seiner Regierung eine Frist bis Montag, um sich auf einen Reformplan zu einigen.
  • Wegen weiterer drohender Proteste und Ausschreitungen bleiben die Schulen und Banken am Montag zu.

Am Sonntag gingen deutlich mehr Menschen auf die Strasse als in den Tagen zuvor. In der Hauptstadt Beirut sowie den Städten Tripoli und Tyrus kam das öffentliche Leben komplett zum Erliegen. Die Demonstranten riefen zur «Revolution» auf. Sie forderten einen umfassenden Umbau des politischen Systems und prangerten Korruption, Vetternwirtschaft und schlechte Lebensbedingungen im Land an.

Luftaufnahme der Proteste in Libanon
Legende: Tausende Menschen gingen am Sonntag in Beirut auf die Strasse. Keystone

Die Proteste waren am Donnerstag durch Reformpläne der Regierung von Ministerpräsident Saad Hariri ausgelöst worden, eine neue Steuer auf Anrufe zu erheben, die über Onlinedienste wie Whatsapp getätigt werden. Die Regierung nahm die Pläne zwar schnell wieder zurück, doch die Proteste hielten an.

Druck auf Hariri steigt

Am Freitag deutete Hariri einen möglichen Rücktritt an. Er gab seinen Koalitionspartnern bis Montag Zeit, über ein neues Reformpaket zu entscheiden.

Am Samstagabend geriet Hariri weiter unter Druck, als die Libanesischen Kräfte ihren Rückzug aus der Regierung ankündigten: «Wir sind überzeugt, dass die Regierung nicht in der Lage ist, die notwendigen Schritte zu unternehmen, um die Lage in den Griff zu bekommen», teilte Parteichef Samir Geagea mit.

Der Austritt der Libanesischen Kräfte aus der Koalition wurde von den Demonstranten auf der Strasse mit Begeisterung aufgenommen. Laut der libanesischen Nachrichtenagentur Ani nahm die Polizei am Samstag dutzende Demonstranten vorübergehend fest. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International appellierte an die Sicherheitskräfte, keine Gewalt gegen friedliche Demonstranten einzusetzen.

Korrespondentin Susanne Brunner zur Atmosphäre in Beirut:

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Die Stimmung sei sehr ausgelassen, berichtet Nahost-Korrespondentin Susanne Brunner, die Montagfrüh auf dem Flughafen der Hauptstadt ankam und auf singende Demonstranten auf dem Nachhauseweg traf. Selbst die Beamtinnen der Passkontrolle hätten von den Demonstrationen und Transparenten geschwärmt und ihr als Journalistin gewünscht, sie möge die Proteste geniessen. Der Protest habe alle erfasst, so Brunner. Eine so breite Volksbewegung sei für Libanon mit seinen Gräben zwischen den Volksgruppen und Religionen aussergewöhnlich.

Mittlerweile stellten sich die wichtigsten Parteien hinter das Reformpaket von Ministerpräsident Saad Hariri. Sie stimmten einem Verzicht auf neue Steuern und der Privatisierung grosser Unternehmen zu. Die Massnahmen sollten heute im Kabinett verabschiedet werden. Ob das reicht, um die Rücktrittsforderungen vestummen zu lassen, bleibt offen. Die Reformen betreffen auch Grundlegendes wie eine 24-stündige Stromversorgung und gute Infrastrukturen für Wasser und Abfall.

Hohe Schuldenlast

Hariris Einheitsregierung wird von Vertretern aus dem gesamten politischen Spektrum unterstützt, bekommt aber die Schuldenlast des Landes nicht in den Griff.

Die Staatsverschuldung Libanons liegt nach Angaben des Finanzministeriums bei 86 Milliarden Dollar – mehr als 150 Prozent des Bruttoinlandprodukts. Sparmassnahmen sind dringend notwendig, um Wirtschaftshilfen in Höhe von elf Milliarden Dollar zu erhalten, die im vergangenen Jahr von internationalen Geldgebern zugesagt worden waren.

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