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Ukraine: Medienfreiheit gerät unter Druck
Aus Echo der Zeit vom 04.04.2024. Bild: zvg/SRF
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Medienfreiheit in der Ukraine Journalist: «Die Leute brauchen diese kritischen Berichte»

Gleich zwei Vorfälle haben Mitte Januar in der ukrainischen Medienszene und in der Öffentlichkeit die Alarmglocken schrillen lassen: Zuerst tauchten zwei Unbekannte vor der Wohnung eines Investigativjournalisten auf und beschimpften ihn als Verräter und Wehrdienstverweigerer. Der Journalist hatte wiederholt staatliche Korruption aufgedeckt, unter anderem im Verteidigungsministerium. Seine Recherchen trugen zum Rücktritt von Verteidigungsminister Oleksij Resnikow bei.

Der zweite Vorfall betrifft die bekannte Rechercheplattform Bihus.Info: Es wurde bekannt, dass die Redaktion überwacht worden war, sehr wahrscheinlich vom Geheimdienst. Der Aufschrei in der Öffentlichkeit war gross, inzwischen ermittelt die Generalstaatsanwaltschaft in der Sache. Selenski sagte öffentlich, jeder Druck auf Journalisten sei inakzeptabel. Bihus.Info hat inzwischen weitere Korruptionsfälle öffentlich gemacht.

Danylo Mokryk

Danylo Mokryk

Investigativjournalist

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Danylo Mokryk ist einer der bekanntesten Investigativjournalisten der Ukraine. Er hat mehrere Jahre für die Rechercheplattform Bihus.Info zu Korruptionsthemen gearbeitet. Inzwischen arbeitet er für das renommierte englischsprachige Online-Medium «Kyiv Independent» und hat sich auf Recherchen zu russischen Kriegsverbrechen in der Ukraine spezialisiert. Seine jüngsten Recherchen betreffen die systematische Ermordung ukrainischer Kinder und die Frage, ob Russland in der Ukraine einen Völkermord begeht.

SRF News: Ist das eine neue Qualität der Angriffe auf unabhängige Medien?

Danylo Mokryk: Es hat Tradition in der ukrainischen Politik, unabhängigen Journalismus nicht zu mögen. Als Selenski an die Macht kam, machte sein Team sofort deutlich, dass es keinen Respekt vor unabhängigem Journalismus hat, ja, dass es nicht einmal dessen Nutzen versteht. Sie sagten anfänglich sogar, sie bräuchten keinen Journalismus, sie könnten direkt mit dem Publikum kommunizieren, etwa über soziale Medien. Dieses Grundmisstrauen hat sich im Kontext des Krieges noch verstärkt. Selenski und sein Team sind autoritärer geworden.

Du weisst als Investigativjournalist nie, ob deine Geschichte Folgen haben wird. Es ist wie in der Lotterie.

Gibt es während eines Kriegs überhaupt eine Nachfrage nach kritischem Journalismus?

Ich spüre eine starke Nachfrage. Die Ukrainer als Nation stehen ihrem Wesen nach in Opposition zur Macht. Das hat wohl mit der langen Erfahrung zu tun, eine Kolonie zu sein. Die Regierung war immer etwas Fremdes, dem man mit Misstrauen begegnete. Bis heute haben die Ukrainer ein Bedürfnis nach kritischem Journalismus. Als die Grossinvasion Russlands begann, hat sich niemand für Korruption interessiert und wir mussten über den Krieg berichten. Im Herbst 2022 kehrten wir zu den Korruptionsthemen zurück. Und wir realisierten, dass in diesen sechs Monaten die Nachfrage danach gewachsen war. Die Leute brauchten diese kritischen Berichte, sie verlangten danach.

Einige Recherchen haben Wirkung gezeigt, der Verteidigungsminister musste gehen.

Ja, trotz allem reagieren der Präsident und sein Team immer noch auf die Recherchen. Aber sie reagieren selektiv, manchmal auch gar nicht. Du weisst als Investigativjournalist nie, ob deine Geschichte Folgen haben wird. Es ist wie in der Lotterie. Aber es geht nicht darum, Politik zu machen oder die Regierung zu beeinflussen. Wir arbeiten für das Publikum, wir wollen es informieren.

Ich denke, dass meine Arbeit auch einen therapeutischen Wert hat für die Ukrainer.

Inzwischen schreiben Sie über russische Kriegsverbrechen. Wie halten Sie das aus?

Es ist sehr hart. Ich bekam Schlafprobleme, konnte nicht mehr einschlafen. Ich gehe zur Therapie, das tut mir gut. Es ist auch für das Publikum hart, meinen Film über die Tötung von Kindern anzuschauen. Aber es tat gut, ihn öffentlich zu zeigen, so konnten wir den Schmerz teilen. Man muss den Schmerz verstehen, ihn erleben und über ihn sprechen. Ich denke, dass meine Arbeit auch einen therapeutischen Wert hat für die Ukrainer. Es ist wichtig, sich so etwas anzuschauen und zu verarbeiten, was mit uns geschieht.

Das Gespräch führte Judith Huber.

Echo der Zeit, 4.4.2024, 18 Uhr;

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