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Meloni, Le Pen, Weidel «Frauen an der Spitze rechter Parteien sind ein Widerspruch»

Italien rutscht nach den letzten Wahlen nach rechts. Mit dieser Verschiebung dürfte mit Giorgia Meloni in Italien erstmals eine Frau Regierungschefin werden. Sie ist nicht die einzige Frau, die in einer rechtspopulistischen Partei in Europa das Sagen hat.

Da gibts etwa noch Marine Le Pen beim Rassemblement National in Frankreich oder Alice Weidel bei der AfD in Deutschland. Frauen an der Spitze von rechten Parteien – wie geht das zusammen? Lea Lochau von der Amadeu Antonio Stiftung in Deutschland gibt Antworten.

Lea Lochau

Sozialwissenschaftlerin

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Lea Lochau ist Bildungsreferentin in der Fachstelle für Gender, gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit und Rechtsextremismus der Amadeu Antonio Stiftung. Die Stiftung befasst sich mit dem Thema Frauen in rechtspopulistischen Parteien.

SRF News: Frauen an der Spitze in rechtspopulistischen Parteien häufen sich. Ist das Zufall oder gibt es einen Grund dafür?

Lea Lochau: Jein. Frauen in rechtspopulistischen und rechtsextremen Parteien waren schon immer aktiv, wenn auch weniger sichtbar. Das hat zum einen mit der äusseren Wahrnehmung, also einer doppelten Unsichtbarkeit, zu tun. Aber auch damit, dass Frauen, wie auch in demokratischen Parteien, vermehrt hohe Parteiämter übernehmen.

Ist es eine Art bewusste Strategie der Parteien, Frauen zu ihren Aushängeschildern zu machen?

Zum einen kann es als Strategie wahrgenommen werden und fungiert auch als Strategie. Zum anderen ist es auch schlicht ein Modernisierungsprozess. Modernisierungserscheinungen, und damit beziehe ich mich bewusst auf das Erscheinungsbild, ist Teil einer oder mehrerer Strategien.

Die Wahrnehmung, Frauen seien harmloser, unpolitischer oder weniger radikal, führt dazu, dass rechte Frauen unsichtbarer agieren können.
Autor:

Es ist ein Phänomen, das bereits seit den 90er-Jahren in rechtsextremen und rechtspopulistischen Parteien zu erkennen ist. Das hat vor allem das Ziel, die bürgerliche Mitte anzusprechen oder diese doppelte Unsichtbarkeit zu nutzen. Die Wahrnehmung, Frauen seien harmloser, unpolitischer oder weniger radikal, führt dazu, dass rechte Frauen unsichtbarer agieren können. Inhaltlich wird aber die gleiche Politik gemacht.

Frauen in der Führung rechtspopulistischer Parteien

Oft stemmen sich die rechten Parteien gegen Frauenquoten und Frauenvertretungen. Widersprechen sich die Parteien da nicht, wenn sie in ihren Reihen die Frauen an die Spitze hieven?

Ein Widerspruch ist es definitiv. Denn, auch wenn Gleichstellung suggeriert wird, wird Antifeminismus propagiert. Der internationale Feminismus bekommt definitiv seine Notwendigkeit abgesprochen. Dazu kommt, dass Frauenthemen oder Frauenrechte für eine Politik vereinnahmt werden, die aber von einer Ungleichheit der Menschen ausgeht.

Auch wenn Gleichstellung suggeriert wird, wird Antifeminismus propagiert.
Autor:

Es geht dezidiert immer noch um Ausgrenzung und konsequent antifeministische Politik. Beispielsweise die rechte Sozialpolitik. Sie sieht die Rolle von Frauen als Stütze der Familie und es wird ganz klar die Rollenverteilung aufgestellt.

Frau kocht mit einem kleinen Kind zusammen.
Legende: Gemäss der rechten Sozialpolitik werden die Kinder von den Frauen zur Welt gebracht und die Frauen erziehen die Kinder. Die Rolle der Frau ist Zuhause und nur temporär aussen. Keystone/Gaetan Bally

Warum funktioniert das so gut mit Frauen an der Spitze von rechtspopulistischen Parteien?

Es wird eine gewisse Harmlosigkeit ausgestrahlt. Es suggeriert eine gewisse Form von Gleichstellung. Die Berechtigung vom Feminismus, der sonst sozusagen agiert, wird abgesprochen. Und es funktioniert vor allem, wenn es Krisen gibt und soziale Fragen Antworten brauchen. Dennoch ist aber ganz klar zu benennen, dass es kein demokratischer Erfolg ist. Auch wenn eine rechtspopulistische Partei mit einer Frau an der Spitze Erfolg erzielt: Die Politik bleibt antifeministisch und ausgrenzend.

Wer wählt diese Frauen?

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Es wählen immer mehr Frauen auch rechte Parteien. Ein Beispiel ist Marine Le Pen: Sie hat mittlerweile mehr weibliche Wählerinnenstimmen als männliche. «Nicht alle Frauen sind feministisch. Es gibt extrem viele Frauen, die rassistische, rechtsextreme oder rechtspopulistische Einstellungen vertreten», erklärt Lea Lochau. Klar sei: «Die Menschen, die diese Parteien wählen, sind keine Feministinnen.»

Ein Grund, warum diese Frauen auf die Wählerschaft so glaubwürdig wirken, ist laut Lochau die Funktion der Kronzeugin: «Ich bin eine Frau. Ich weiss, wovon ich spreche.» Dennoch bleibe nicht zu verachten, dass die Parteien und das politische Umfeld immer noch männerdominiert seien, auch wenn Frauen sichtbarer werden.

Das Gespräch führte Vera Deragisch.

SRF 4 News, 27.09.2022, 07:45 Uhr ; 

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