Zum Inhalt springen

Menschenrechte in Israel Amnesty International bezeichnet Israel als «Apartheidstaat»

  • Amnesty International hat einen Bericht veröffentlicht, in dem die Menschenrechtsorganisation die Anwendung des Begriffs der «Apartheid» auf Israel begründet.
  • Im letzten April hatte bereits Human Rights Watch den Begriff im Zusammenhang mit Israels Palästina-Politik verwendet.
  • Israels Aussenminister Yair Lapid nennt den AI-Report einen «antisemitischen» Bericht und «ein Recycling von Lügen».

Den Stein ins Rollen gebracht hatte die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) im April 2021, indem sie sich palästinensischen und israelischen NGOs anschloss, die sich entschieden hatten, den Begriff «Apartheid» zu verwenden, um Israels Politik gegenüber Palästinensern und israelischen Arabern zu beschreiben.

Kein Vergleich mit Südafrika

Fast ein Jahr danach veröffentlicht Amnesty International (AI) jetzt einen umfangreichen Bericht, in dem die Organistion ihre Entscheidung, den Begriff «Apartheid» ebenfalls zu verwenden, erläutert und gleichzeitig erklärt, dass sie Vergleiche mit Südafrika vermeiden möchte.

«Ob sie nun in Gaza, Ost-Jerusalem, im übrigen Westjordanland oder in Israel leben, die Palästinenser werden als eine minderwertige rassische Gruppe behandelt und systematisch ihrer Rechte beraubt. Und diese grausame Politik der Segregation, Enteignung und Ausgrenzung durch Israel in diesen Gebieten grenzt eindeutig an Apartheid», betont Amnesty im Bericht und fügt hinzu, dass die Palästinenser von Israel als «demografische Bedrohung» betrachtet würden.

Was ist Apartheid?

Box aufklappen Box zuklappen

Der Begriff «Apartheid» heisst wörtlich «Getrenntheit» und beschreibt ursprünglich eine politische Periode der Rassentrennung in Südafrika und Südwestafrika. Sie war vor allem durch die autoritäre, selbsterklärte Vorherrschaft der «weissen», europäischstämmigen Bevölkerungsgruppe über alle anderen gekennzeichnet. Die Apartheid hatte ihre Hochphase von den 1940er- bis zu den 1980er-Jahren und endete 1994 nach einer Phase der Verständigung mit einem demokratischen Regierungswechsel, bei dem Nelson Mandela der erste schwarze Präsident Südafrikas wurde. In neuster Zeit wird der Begriff öfter auch als Synonym für Segregation im Allgemeinen verwendet. Zudem wurde das politische Handeln in solcher Weise als Straftatbestand ins internationale Recht aufgenommen.

«Die arabischen Bürger Israels werden nicht die gleiche Erfahrung mit Apartheid machen wie die in Gaza, aber das bedeutet nicht, dass es kein Apartheidregime gibt», sagte die Generalsekretärin von Amnesty, Agnes Callamard.

Ich war schockiert über die Enthumanisierung des Systems.
Autor: Agnes Callamard Generalsekretärin Amnesty International

«Ich war schockiert über die Enthumanisierung des Systems», fügte Callamard hinzu, die letzte Woche in Jerusalem angekommen war. Sie führte Gespräche im Westjordanland und in Israel, konnte sich jedoch mit keinen israelischen Beamten treffen, obwohl sie bei den Behörden darum gebeten hatte.

Israel schiesst scharf zurück

Bereits am Montag, als der Amnesty-Bericht unter der Hand zirkulierte, verurteilte ihn der israelische Aussenminister Yair Lapid als einen «antisemitischen» Bericht, «ein Recycling von Lügen». «Amnesty International war einst eine angesehene Organisation, die wir alle respektierten. Heute ist sie genau das Gegenteil», sagte Lapid und warf der NGO vor, «eine radikale Organisation» geworden zu sein.

Empörung in Israel

Box aufklappen Box zuklappen

SRF-Nahostkorrespondentin Susanne Brunner beschreibt die Reaktionen in Israel folgendermassen: «Mehrheitlich reagiert man mit Empörung – dass man einmal mehr Israel herausgreift und an den Pranger stellt. Und das in einer Region, in der andere Regime grausamste Menschenrechtsverletzungen und Diskriminierungen begehen, die nicht einmal thematisiert werden. Besonders enttäuscht reagieren auch linke Israelis, die sich noch immer für einen dauerhaften Frieden einsetzen. Sie finden, Israel als Apartheid-Staat zu bezeichnen, schade ihren Bemühungen.»

Amnesty International pariert

Kritik an den Praktiken des Staates Israel sei keinesfalls eine Form des Antisemitismus. AI verurteile Antisemitismus aufs Schärfste, konterte Callamard. In ihrem Bericht fordert die Organisation den UNO-Sicherheitsrat auf, ein «Embargo» für Waffenverkäufe an den jüdischen Staat zu verhängen, sowie Sanktionen gegen jene israelischen Beamten, die am stärksten in das Verbrechen der Apartheid verwickelt seien.

AI fordert auch den Internationalen Strafgerichtshof, der im vergangenen Jahr eine Untersuchung wegen «Verbrechen gegen die Menschlichkeit» gegen die Palästinenser eingeleitet hatte, auf, «das Verbrechen der Apartheid in seine Akte aufzunehmen».

SRF 4 News, Rendez-vous vom 01.02.2022, 12.20 Uhr ; 

Meistgelesene Artikel