Die UNO-Hochkommissarin Michelle Bachelet beginnt am Montag ihren mehrtägigen China-Besuch. Im Fokus steht dabei Xinjiang. Mehrere Regierungen und Menschenrechtsorganisationen werfen Peking eine systematische Unterdrückung ethnischer Minderheiten vor. An Bachelets Besuch gibt es heftige Kritik, erklärt Martin Aldrovandi, SRF-China-Korrespondent.
SRF News: Nun darf die UNO-Hochkommissarin für Menschenrechte, Michele Bachelet, nach China einreisen. Warum hat es derart lange gedauert?
Martin Aldrovandi: Das können wir nur vermuten. Grundsätzlich ist die chinesische Führung äusserst zurückhaltend bei solchen Besuchen. Sie lässt sie erst zu, wenn sie sicher sein kann, dass sie alles im Griff hat. 2018 war in Xinjiang an jeder Strassenecke Militär und Polizei. Überall gab es Kontrollen. Die Überwachung war an der Oberfläche sehr sichtbar, im letzten Jahr nicht mehr. Der Bericht des Hochkommissariats über die Menschenrechtslage in Xinjiang wurde noch nicht veröffentlicht.
Es wird kaum jemand zu ihr vorgelassen werden, der oder die sich kritisch äussern könnte.
China bewilligte diese Reise nur unter der Bedingung, dass der Besuch unter freundlichen Vorzeichen geschehe; anders ausgedrückt, dass die UNO keine Untersuchung zum Thema Menschenrechte durchführt. Was bedeutet das für die Reise von Michelle Bachelet in China?
Man muss davon ausgehen, dass der Besuch Bachelets von den chinesischen Behörden überwacht wird. Es wird kaum jemand zu ihr vorgelassen werden, der oder die sich kritisch äussern könnte.
Man kann sich vorstellen, dass eine UNO-Hochkommissarin mit ihrem Team nicht unbeobachtet mit Menschen sprechen kann. Interessant ist: In der Medienmitteilung des Kommissariats ist dieses Mal von Begegnungen mit Organisationen aus der Zivilgesellschaft die Rede. Viele Menschenrechtsorganisationen sind da äusserst skeptisch, da sich auch zivile Organisationen der Partei unterordnen müssen.
Weshalb wurde der Bericht zur Menschenrechtslage in Xinjiang bis jetzt nicht veröffentlicht?
Man muss von Druck vonseiten Chinas ausgehen. Weiter wird gemutmasst, dass ein solcher Bericht wohl die Olympischen Winterspiele in Peking zu stark überschattet hätte. Das hätte Chinas Führung sicher nicht gepasst. Die Sorge von Menschenrechtsaktivistinnen – und Aktivisten ist, dass mit dem Besuch die Veröffentlichung des Berichts weiter hinausgezögert wird, oder dass er von diesem Besuch beeinflusst werden könnte. Es ist noch nicht klar, ob und wann er veröffentlicht wird. Wichtig ist hier zu sagen: Die chinesische Regierung weist die Vorwürfe der Unterdrückung jeweils deutlich zurück.
Wenn sich Bachelet in einer Covidblase aufhalten würde, wäre ein freier und ungehinderter Austausch zusätzlich erschwert.
In China herrschen derzeit strenge Corona-Massnahmen. Wer einreist, muss in eine Quarantäne. Welchen Einfluss hat das auf den Besuch von Michelle Bachelet?
Ihr Vorbereitungsteam musste noch in eine Quarantäne, bevor es mit der Arbeit beginnen konnte. Sie selbst muss dies offenbar nicht. Deshalb besteht die Befürchtung, dass sie sich während ihres Besuchs in einer Covidblase aufhalten könnte. Ein freier und ungehinderter Austausch würde damit wohl zusätzlich erschwert.
Sie wird nicht frei mit der Bevölkerung sprechen können und die Bevölkerung auch nicht mit ihr?
Davon muss man ausgehen.
Das Gespräch führte Claudia Weber.