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Vor China eingeknickt? Schweiz unterschreibt Xinjiang-Deklaration nicht

Pekings Unterdrückung der Uiguren wird international verurteilt. Eine Erklärung auf UNO-Ebene unterzeichnet Bern nicht.

Die muslimische Minderheit der Uiguren in der chinesischen Provinz in Xinjiang wird massenhaft in Umerziehungslagern eingesperrt, Frauen werden zwangssterilisiert. Die Vorwürfe an die chinesische Regierung sind seit längerem weitgehend belegt.

Die chinesische Unterdrückung in Xinjiang wird international verurteilt – zum Beispiel in Form einer Erklärung auf UNO-Ebene, bei der in regelmässigen Zeitabständen 44 Staaten gemeinsam das Vorgehen Pekings in Xinjiang verurteilten.

EDA: «Überhaupt nicht eingeknickt»

In der neusten dieser Xinjiang-Deklarationen von Donnerstag haben jedoch nur noch 43 Staaten unterzeichnet. Es fehlt: die Schweiz. Sie hat diesmal nicht unterschrieben. Ist die Schweiz vor China eingeknickt?

Die Frage geht an Johannes Matyassy, stellvertretender Staatssekretär beim Aussendepartement EDA: «Überhaupt nicht. Wir suchen nach wir vor nach den besten Möglichkeiten, unsere Position gegenüber China geltend zu machen.» Die Menschenrechtsfrage sei ein Teil der gesamten Aussenpolitik, die die Schweiz gegenüber China betreibe, so Matyassy weiter. «Und wir wollen sicherstellen, dass wir mit China im Dialog bleiben.»

Nur weil man einmal ein Instrument nicht nutzt zu folgern, dass die Schweiz diesem wichtigen Thema keine oder weniger Bedeutung zumisst, wäre schlicht falsch.
Autor: Johannes Matyassy Stv. Staatssekretär beim EDA

Die erwähnte China-Strategie für die nächsten Jahre hat Aussenminister Ignazio Cassis im Frühling vorgestellt. Teil davon ist unter anderem der Menschenrechtsdialog, worauf China allerdings wenig erfreut reagiert hat. Wie ist das also zu verstehen? Die Schweiz verzichtet diesmal, sich der internationalen Kritik der Menschenrechtsverstösse in der chinesischen Provinz anzuschliessen – gerade um den Dialog mit China aufrecht zu erhalten?

Matyassy will das richtig verstanden wissen: «Nur weil man einmal ein Instrument nicht nutzt zu folgern, dass die Schweiz diesem wichtigen Thema keine oder weniger Bedeutung zumisst, wäre schlicht falsch.» Die offizielle Begründung des EDA: Die Schweiz entscheide von Fall zu Fall, ob sie sich einer Stellungnahme anschliesse. Diesmal verzichte sie vor dem Hintergrund ihrer Rolle als Gaststaat wichtiger Gespräche. Und weiter: Sie sei überzeugt, dass deren Durchführung auch im Interesse der Weltgemeinschaft sei.

Schweigen, um im Dialog zu bleiben?

Anfang Oktober hatten sich beispielsweise Spitzenvertreter der USA und China in Zürich getroffen. Ralph Weber, Professor am Europainstitut der Universität Basel, wagt das Gedankenexperiment, dass möglicherweise weitere Treffen anstehen, denn «man hätte unterzeichnen können. Das heisst offenbar, dass man die Kosten einer solchen Unterzeichnung für so hoch kalkuliert hat, dass damit in Gefahr stehen würde, als Gastgeberland noch in Frage zu kommen.»

Er beobachtet die Hoffnung, dass sich die Schweiz mit mehr Neutralität den Erwartungen und auch dem Druck der Grossmächte etwas entziehen könnte. Weber hält das aber nicht für realistisch.

Die Menschenrechtsverletzungen in China sind nicht akzeptier- und tolerierbar.
Autor: Christoph Wiedmer Gesellschaft für bedrohte Völker

Bei der Gesellschaft für bedrohte Völker hält Co-Geschäftsleiter Christoph Wiedmer fest: «Es ist gut, den Dialog anzubieten und es ist auch gut, wenn sich die Schweiz, China und die USA treffen und miteinander reden. Das darf aber kein Grund sein, in der Öffentlichkeit nicht klar Stellung zu beziehen, wo die Schweiz steht. Die Menschenrechtsverletzungen in China sind nicht akzeptier- und tolerierbar.»

Mit der aktuellen Deklaration bekräftigen die 43 Staaten ihre Besorgnis zu den weitverbreiteten Menschenrechtsverletzungen in der chinesischen Provinz Xinjiang. Sie verlangen zudem Zugang für unabhängige Beobachter und die Organisationen der UNO. In der Liste fehlt die Schweiz, die diesmal einen anderen Weg sucht.

Echo der Zeit, 22.10.2021, 18 Uhr

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