- Seit Jahren gewinnt die AKP in der Türkei eine Wahl nach der anderen.
- Zur Partei von Präsident Tayyip Erdogan schien es für die traditionell eher national, konservativ eingestellte türkische Mehrheitsgesellschaft bisher keine Alternative zu geben.
- Ab Oktober soll sich das ändern. Mit der Zentralen Demokratie-Partei entsteht eine neue Kraft, die vor allem der AKP gefährlich werden könnte.
- Parteigründerin und charismatische Führungsfigur ist Meral Aksener.
Die 61-Jährige wirkt auf den ersten Blick nicht wie eine, die die Massen begeistern kann. Doch wenn die türkische Politikerin dieser Tage eine Bühne betritt, geht ein Ruck durch die Menge.
Überall, wo die so genannte «Marine Le Pen der Türkei» auftritt, herrscht eine Atmosphäre, die man so in der Türkei nur noch selten erlebt: Aufbruchstimmung, Hoffnung, das Gefühl, etwas verändern zu können.
Wer ist Meral Aksener?
Die Frau bietet in einer patriarchalischen Gesellschaft sämtlichen Männern die Stirn. Ihrer Zentrumspartei sagen die Meinungsforscher schon vor der Gründung 20 Prozent der türkischen Wählerstimmen vor. Und bereits hat sie angekündigt, sie wolle in zwei Jahren Präsident Erdogan herausfordern.
Zwei Dinge prägen die bereits 30 Jahre währende Politkarriere Akseners: Nationalismus und Säkularismus. Die Verteidigung der türkischen Republik und das Türkentum sind ihre Themen.
Gegen Zugeständnisse an Kurden
Den islamischen Autoritarismus Erdogans lehnt sie dabei genauso ab wie Zugeständnisse an die kurdische Minderheit.
Die AKP-Regierung hat zugelassen, dass die Kurden ihre so genannte Flagge hissen. Schämen sollte sie sich dafür!
Harte Worte gegen Minderheiten gehören in der Türkei zum politischen Alltag. In der rassisitisch-nationalistischen MHP, der Aksener bis vor kurzem angehörte, sind sie Programm. Doch mit ihrer neuen Zentrumspartei will Aksener in einer Zeit, in der das Land gespalten ist wie nie zuvor, offensichtlich auch Gräben zuschütten.
Für Beziehungen zur EU
Einer, der den Aufstieg Akseners genau beobachtet, ist der Journalist Hüseyin Sengül: «Anstatt allein auf Nationalismus setzt Aksener bewusst auf einen Zentralismus, der versucht, liberale und konservative Werte mit einzubeziehen.»
Sie betont in diesem Sinne, dass sie Erdogans Verfassungsänderung ablehnt und die Beziehungen zum Westen sowie der EU aufrechterhalten will – im Gegensatz zu nationalistischen Hardlinern.
Anstatt allein auf Nationalismus, setzt Aksener bewusst auf einen Zentralismus, der versucht, liberale und konservative Werte mit einzubeziehen.
Alternative für enttäusche Wähler
Ihre grosse Chance ist, dass ein wachsender Teil der AKP- und der MHP-Anhänger unzufrieden sind. Aber sie hatten bisher keine Alternative. Das könnte sich mit Akseners Parteigründung nun ändern.
Es erstaunt daher nicht, dass AKP-nahe Medien die immer beliebter werdende Oppositionspolitikerin regelmässig als Verschwörerin bezeichnen, sie gar in die Nähe von Terrororganisation stellen.
Immer beliebter trotz Störmanövern
Als Devlet Bahceli, Chef der nationalistischen MHP, die populäre Aksener loswerden wollte, half Präsident Erdogan ihm persönlich, sie aus der Partei auszuschliessen.
Damit sicherte er sich die Unterstützung Bahcelis für seine Verfassungsreform. Meral Aksener aber machte das nur noch beliebter. Zahlreiche enttäuschte MHP-Politiker schlossen sich ihrer Bewegung an.
Eins steht schon vor der für Oktober geplanten Gründung ihrer Zentrumspartei fest: Meral Aksener wird neuen Wind in die festgefahrene türkische Parteienlandschaft bringen.