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Midterms 2018 in den USA Demokraten hoffen, Trump vertraut – vor allem sich selbst

Der Wunsch ist Vater des Gedankens. Ein Sprachbild hilft, Gedanken zu veranschaulichen. Beispiel: Die blaue Welle. Seit zwei Jahren malen die Demokraten hartnäckig an diesem Bild. Blau ist ihre Farbe. Und eine Welle ist, gemäss Duden, etwas, das in grossem Ausmass in Erscheinung tritt. Übertragen auf die Wahlen müsste das wohl heissen: Sitzgewinne in grossem Ausmass.

So viel zum Wunsch. Nun, muss man sagen, dass er gestärkt wird durch Umfragen. Würde heute gewählt, würden 7,5 Prozent mehr Amerikaner demokratisch wählen als republikanisch. Die gleichen Umfragen sahen die Republikaner 2010 mit einem Plus von gut 9 Prozent. Sie gewannen dann 63 Sitze im Repräsentantenhaus. 2006 führten die Demokraten mit 11,5 Prozent und gewannen 31 Sitze.

Das rechtfertigt den Optimismus der Demokraten, Sitze zu gewinnen. Dazu schürt Hoffnung, dass die regierende Partei bei den Zwischenwahlen traditionell Sitze einbüsst. Deswegen aber von einer blauen Welle auszugehen wäre naiv. Aus zwei Gründen. Erstens: Solche Umfragen sind mit grosser Vorsicht zu geniessen. Sie erheben zwar, wie die Leute abstimmen wollen. Nehmen aber keine Rücksicht auf regionale Gegebenheiten wie Zusammensetzung der Wahlbezirke, lokale Themen und Kandidaten.

Im Repräsentantenhaus geht es um 435 Sitze, also um 435 einzelne Wahlkämpfe. Im Senat werden in diesem Jahr 35 Sitze neu vergeben.

In der Ära Trump ist so vieles so anders

Zweitens: Donald Trump. Der US-Präsident hat Washington und die USA aufgemischt. Er hat die Politik der Republikaner bei wichtigen Themen auf den Kopf gestellt und neue Wähler gewonnen. Über Twitter erreicht er Millionen von Wählern und setzt seine eigenen Themen.

Stärker als Präsidenten vor ihm hat er die Kongresswahlen zu einem Referendum über seine Politik und seine Person gemacht. Und er hat – bestärkt durch seinen Erfolg vor zwei Jahren – grösstes Vertrauen in ihn: Donald Trump, den Wahlkämpfer.

Entsprechend ist Trump auch jetzt wieder unterwegs, hat zweimal täglich eine Wahlveranstaltung. Viermal war er in den letzten Monaten beispielsweise im Bundesstaat Montana. Dort lebt nur eine Million Menschen. Trump sieht aber Chancen, einen demokratischen Senator mit einem republikanischen zu ersetzen.

Mit seinen Auftritten will er bis zur allerletzten Minute mobilisieren. In engen Rennen könnte er so den Unterschied ausmachen. Aber Kapitän Trump spürt zweifellos auch ein raues Meer und mindestens kleine Wellen. Deshalb will er die rote Gegenströmung. Rot die Farbe der Republikaner. Gegenströmung, ein Sprachbild.

Migration im Fokus, nicht Wirtschaft

Bemerkenswert ist, mit welchen Themen Präsident Trump in diesen Tagen mobilisieren will. Im Zusammenhang mit einer «Flüchtlingskarawane» aus Zentralamerika schraubt er die Angstrhetorik hoch. Er redet von einer Invasion ins Land, suggeriert diffus, dass Kriminelle darunter seien. Zum Schutz vor Flüchtlingen schickt er tausende Soldaten an die mexikanische Grenze. Die Schärfe seiner Rhetorik übersteigt das, was wir 2016 gehört haben.

In den Hintergrund rückt dabei, was bei jedem anderen Republikaner im Vordergrund stünde. Die Wirtschaft. Jeder andere Präsident würde pausenlos von florierender Wirtschaft sprechen. Von steigenden Löhnen. Von Aktienmärkten auf Höchstständen. Aber Trumps Kalkül ist, dass Immigration jetzt trotz allem besser zieht und entscheidend: besser mobilisiert. Es ist bei ihm offensichtlich nicht «the economy», aber «the immigration, stupid». 2016 bekam er damit Recht.

Auf dem Land rot, in der Stadt blau

Und so bleibt die Frage, ob das wieder aufgehen kann für den Präsidenten und seine Partei. Zweifellos funktioniert dies in ländlichen, roten Staaten und Bezirken, wo der Präsident nach wie vor sehr beliebt ist. Wenig Chance hat er damit in den grossen Städten, die demokratisch wählen. Entscheidend werden Vorstädte sein, mit moderaten Republikanern und Wechselwählern, die Präsident Trump 2016 mangels überzeugender Alternative murrend gewählt haben und ihm jetzt einen Denkzettel verpassen könnten. Vor allem Frauen. In diesen Vorstädten sind denn auch viele Rennen sehr eng. Da sind die meisten rund 70 Sitze für Repräsentantenhaus, in denen es in beide Richtungen kippen könnte.

In einigen Staaten mit vorzeitiger Stimmabgabe deutet vieles auf eine sehr hohe Wahlbeteiligung hin. Normalerweise geben bei den Zwischenwahlen nur 40 Prozent der Bevölkerung ihre Stimme ab. Wie Wellenstand und Gegenströmungen sind, lässt sich noch nicht abschätzen.

Peter Düggeli

USA-Korrespondent, SRF

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SRF-Korrespondent Peter Düggeli arbeitet seit Sommer 2015 in Washington. Er ist seit 2010 bei SRF. Düggeli studierte an der Universität Freiburg Geschichte und Englisch und schloss sein Studium 1999 mit einem Lizenziat ab.

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