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«Migranten als Wachstumsmotor» Die UNO arbeitet an umstrittenem Migrationspakt

In der globalisierten Welt wandern nicht nur Waren, sondern auch Menschen: Jetzt soll es ein festes Regelwerk geben.

Wenn es um Flüchtlinge geht, so sind die Regeln klar. Flüchtlinge haben ein Recht auf Aufnahme und auf Schutz. Die Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 setzt hier die Standards, selbst wenn sie nicht immer eingehalten werden.

Doch bei der Migration ist zurzeit fast nichts geregelt.

Dabei gibt es mittlerweile weitaus mehr Migranten als Flüchtlinge. 260 Millionen Menschen, fast dreieinhalb Prozent der Weltbevölkerung leben ausserhalb ihres Heimatstaates. Mehr als je zuvor, heisst es in einem UNO-Video.

Man muss aufhören, Migranten primär als Hilfsempfänger zu sehen. Sie sind vielmehr Wachstumsmotoren.
Autor: Antonio Guterres UNO-Generalsekretär

Vor knapp zwei Jahren nahm sich daher die UNO vor, in einem Pakt den Rahmen für die Migration zu setzen: mit Rechten und Pflichten für Staaten, für Bürger, für die Wirtschaft, für Nichtregierungsorganisationen. Für UNO-Generalsekretär Antonio Guterres hat dieser Pakt 2018 Priorität.

Migrant an der Spitze der UNO

Der Portugiese Guterres weist immer wieder darauf hin, dass er selber ein Migrant sei. Jahrelang lebte er in Genf; jetzt in New York. Für ihn ist Migration generell eine positive Sache: «Man muss aufhören, Migranten primär als Hilfsempfänger zu sehen. Sie sind vielmehr Wachstumsmotoren.»

Migranten stehen in Griechenland in einer Schlange, 30. März 2016
Legende: In vielen westlichen Staaten wird Migration als Problem wahrgenommen: Die UNO will auch den Blick auf die Chancen eröffnen. Reuters

Migranten sollten nicht in Lagern leben, sondern integriert in die lokale Bevölkerung, ihre Kinder sollten die örtlichen Schulen besuchen und alle Zugang zum öffentlichen Gesundheitssystem haben.

Globale Niederlassungsfreiheit?

Der UNO-Hochkommissar für Flüchtlinge, der jordanische Prinz Zeid al-Hussein, geht noch einen Schritt weiter. Man sollte die Migration ermutigen, ja Zuwanderer überall willkommen heissen, denn sie seien eine Bereicherung für die Zielländer. Der Hochkommissar plädiert für das Recht jedes Menschen, dort zu leben, wo er wolle – also für ein Menschenrecht aus- und einzuwandern.

Wenig überraschend zeigt sich nun in den Verhandlungen, dass viele Länder keineswegs bereit sind, das zu akzeptieren. Die USA wollen nicht einmal verhandeln. Auch Ungarn liebäugelt damit, beim Migrationspakt nicht mitzumachen.

Umstrittenes Recht auf Rückschaffungen

Die meisten anderen Regierungen anerkennen immerhin, dass eine Versachlichung der Migrationsdebatte nötig wäre und Migration nicht nur als Problem betrachtet wird. Oder, dass man etwas tun muss gegen den Menschenschmuggel.

Ausserdem soll das Augenmerk stärker der Migration innerhalb von Drittweltländern gelten und nicht nur der Zuwanderung in den reichen Staaten. Hoch umstritten sind hingegen etwa das Recht auf Migration oder Rückschaffungen.

Schweiz mit prominenter Rolle beim Migrationspakt

Die Schweiz spielt im Verhandlungsprozess eine Schlüsselrolle. Ihr UNO-Botschafter in New York, Jürg Lauber, trägt nämlich den sperrigen Titel «Ko-Fazilitator», zusammen mit seinem mexikanischen Amtskollegen. Die beiden halten die Fäden bei der Ausarbeitung des Migrationspaktes in der Hand.

Lauber findet, man müsse über allgemeine Prinzipien hinauskommen, hin zu konkreten Massnahmen und deren Durchsetzung. Er räumte jedoch vor den UNO-Mitgliedstaaten ein, dass nicht alle Länder willens oder imstande seien, sämtliche Beschlüsse umzusetzen. Das sei schon jetzt klar. Und die UNO hat so gut wie keine Druckmittel.

Am Schluss dürfte man froh sein, wenn Ende Jahr auf einem Gipfel in Marrakesch ein konkreter Aktionsplan zustandekommt. Einer, an dem sich möglichst viele Länder orientieren, weil sie sehen, dass das auch ihnen Vorteile bringt.

Zumal eines klar ist: Ob Regierungen nun die Migration gut finden oder nicht – aufhalten lässt sie sich nicht. Sie wird in einer globalisierten Welt noch kräftig zunehmen.

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