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Migrationsstreit mit Belarus EU-Kommission will härteres Regime an der Ostgrenze aufziehen

  • Die EU-Kommission will Polen, Lettland und Litauen erlauben, während eines halben Jahres bestimmte Schutzrechte von Migrantinnen und Migranten auszusetzen.
  • Damit soll die prekäre Lage an der EU-Aussengrenze zu Belarus verbessert werden.
  • Seit Wochen suchen Tausende Migranten dort Möglichkeiten, in die EU zu gelangen.

Polen, Litauen und Lettland erhalten mehr Zeit, um entlang der Grenze zu Belarus Asylanträge zu registrieren: vier Wochen und nicht nur zehn Tage wie im Normalfall. Während dieser Zeit können die schutzsuchenden Menschen in provisorischen Lagern untergebracht werden. Oder festgehalten werden, wie Menschrechtsorganisationen umgehend kritisieren.

Die EU-Kommission will auch einfachere und schnellere Abschiebungen erlauben. Alle Sondermassnahmen sind auf sechs Monate beschränkt.

«Flexible Reaktion auf prekäre Lage»

Die EU-Kommission schlage mit diesen Erleichterungen nicht vor, Teile des EU-Asylrechts ausser Kraft zu setzen, sondern zeige mit ihrem Vorschlag auf, wie die EU flexibel auf die prekäre Lage an der Grenze zu Belarus reagieren könne, sagt die für Migrationsfragen zuständige EU-Kommissarin Ylva Johansson.

Das Ziel des Vorschlags sei es, die Grundrechte aller Asylsuchenden zu garantieren; das sei vereinbar mit dem Auftrag die EU-Aussengrenzen zu schützen.

Migranten an der Grenze zu Polen und Belarus
Legende: Seit Wochen versuchen mehrere Tausend Menschen, von Belarus über die EU-Aussengrenzen nach Polen oder in die baltischen Staaten zu gelangen. Die EU wirft dem belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko vor, gezielt Personen aus Krisenregionen nach Minsk einfliegen zu lassen, um sie dann in die EU zu schleusen. Keystone

Margaritis Schinas, Vizepräsident der EU-Kommission aus Griechenland, betont, dass alle EU-Staaten in der Pflicht stünden, sich gegenseitig in Migrationsfragen zu unterstützen. Darum diese temporären Anpassungen. «Der Schutz der Aussengrenze ist nicht nur Aufgabe jener Staaten, die eine EU-Aussengrenzen haben, sondern von allen.»

Die polnische Regierung hat nicht auf die Vorschläge der EU gewartet, sondern am Dienstagabend den Ausnahmezustand in der Grenzregion bis März verlängert. Hilfsorganisationen und Medienschaffende haben weiterhin keinen freien Zugang zum Grenzgebiet nach Belarus.

Polen sichert Push-Backs rechtlich ab

Das vom Parlament verabschiedete Gesetz erlaubt sogar gewaltsames Zurückdrängen von Menschen über die Grenze nach Belarus. Push-Backs sind in Polen nunmehr rechtens. Nein, damit verstosse Polen gegen EU-Recht, entgegnete EU-Kommissarin Johansson.

Alle EU-Staaten müssen sich an EU-Recht halten. Die Vorschläge der EU-Kommission gehen auf einen Auftrag der EU-Staats- und Regierungschefs zurück, das EU-Asylrecht in Krisenzeiten flexibler zu gestalten. Im Vorschlag der EU-Kommission für einen neuen europäischen Migrationspakt war das schon vorgesehen. Im Rat der EU-Minister kommen die Beratungen aber seit Monaten nicht voran.

Krise als Katalysator für den Migrationspakt?

Für Margaritis Schinas zeige die EU-Kommission einmal mehr auf, dass die Instrumente der EU in der Migrationspolitik ausreichend seien, auch in Krisen betroffene EU-Staaten beim Grenzschutz zu unterstützen. Ein guter Moment also, aus der politischen Blockade herauszufinden, so Schinas. Es gebe keinen besseren Moment, den EU-Migrationspakt endlich zu verabschieden.

Der Vorschlag der EU-Kommission, geltendes Asylrecht temporär auszusetzen, erfolgt also nicht ohne Hintergedanken. Aus Sicht der EU-Kommission gibt es nämlich auch keinen besseren Moment, für den EU-Migrationspakt endlich die sehr kritischen Staaten in Osteuropa für politische Kompromisse zu gewinnen.

 

 

Echo der Zeit, 01.12.2021, 18 Uhr

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