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Migration in Belarus Migrantenlager an belarussisch-polnischer Grenze geräumt

  • Das provisorische Zeltlager von Migranten entlang der belarussisch-polnischen Grenze beim Übergang Kuznica-Brusgi ist nach Angaben des Grenzschutzes in Belarus geräumt worden.
  • Migranten würden auf den Grünstreifen entlang der polnischen Grenzbefestigung nicht mehr vorgelassen, sagte eine Sprecherin der Behörde.
  • Die Migranten sind mittlerweile in einem Logistikzentrum in der Nähe untergebracht.
  • Nachdem in der Notunterkunft am Vortag ein erster Covid-Fall gemeldet worden war, soll dort am Freitag eine Impfstelle den Betrieb aufnehmen. Geplant ist die Verabreichung eines chinesischen Vakzins.

Staatsnahe belarussische Medien veröffentlichten am Morgen erneut Videos aus der Logistikhalle, in der mittlerweile fast alle Menschen untergebracht sind, die zuvor im Wald kampiert hatten. In der Notunterkunft lagen Erwachsene und Kinder dicht gedrängt auf Matratzen am Boden. Vor dem Gebäude wurde demnach Essen ausgeteilt.

Prekäre humanitäre Situation

Weil so viele durchnässte und frierende Menschen dort Zuflucht suchten, war auch eine zweite Etage für die Migranten bereitgestellt worden.

Kinder- und Menschenrechtsorganisationen appellierten an die EU-Kommission, die Rechte von Migrantinnen und Migranten an den Aussengrenzen der EU zu wahren. Die Menschen im Grenzgebiet zu Belarus müssten umgehend evakuiert werden und Zugang zu einem rechtsstaatlichen Asylverfahren erhalten, erklärten 27 Organisationen laut einer Mitteilung von Pro Asyl in Berlin anlässlich des Internationalen Tags der Kinderrechte am 20. November.

Ausserdem forderten sie den sofortigen Zugang zum Grenzgebiet für humanitäre Organisationen, um die notleidenden Menschen dort versorgen zu können.

Putin spricht mit Lukaschenko

Machthaber Alexander Lukaschenko telefonierte erneut mit Russlands Staatschef Wladimir Putin. Dabei sei es auch um das Telefonat Lukaschenkos mit der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel gegangen, teilte der Kreml in Moskau mit. Die Kanzlerin hatte in dieser Woche gleich zweimal mit Lukaschenko gesprochen, um dabei auch auf eine bessere humanitäre Lage der Migranten an der belarussisch-polnischen Grenze zu dringen.

London und Tallinn schicken Soldaten

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Die britische Regierung will weitere Soldaten nach Polen schicken, um das Land in der Migrationskrise an seiner Grenze zu Belarus zu unterstützen. Man werde Pioniere zur technischen Unterstützung entsenden, sagte der britische Verteidigungsminister Ben Wallace der BBC. Aus Kreisen des Verteidigungsministeriums in London hiess es, es sollten etwa 100 Soldaten zum Einsatz kommen. Die Details des Einsatzes müssten aber erst noch festgelegt und vom Parlament gebilligt werden.

Auch Estland unterstützt Polen. Das baltische EU-Land wird auf Ersuchen der Regierung in Warschau rund 100 Angehörige seiner Streitkräfte entsenden. Darunter seien Pioniere und Militärpolizisten, teilte der estnische Verteidigungsminister Kalle Laanet in Tallinn mit. Die Einheiten bestehen demnach aus regulären Soldaten, Reservisten und Wehrpflichtigen.

Putin und Lukaschenko kritisierten das Vorgehen polnischer Sicherheitskräfte gegen Migranten als «inakzeptabel, brutal». Es sei rohe Gewalt angewendet worden. Die polnische Seite hatte am Dienstag Wasserwerfer eingesetzt, um zu verhindern, dass Migranten über die gesicherte Grenze in die EU gelangen.

Weniger Grenzübertritte nach Polen registriert

Derweil werden in Polen deutlich weniger versuchte Grenzübertritte von Migranten aus Belarus als in den Vortagen registriert. Zwar habe es in der Nacht zum Freitag immer noch einzelne Versuche gegeben, nach Polen und damit in die EU zu gelangen, sagte Verteidigungsminister Mariusz Blaszczak. Die Gruppen seien aber viel kleiner als in den vergangenen Tagen, als bis rund Hundert Migranten auf einmal versuchten, den Grenzzaun zu überwinden. Damit scheint sich ein Kurswechsel der Regierung in Minsk in der Migrationskrise zu bestätigen.

Die polnische Regierung und die EU werfen dem autoritären belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko vor, gezielt Menschen aus Krisenregionen einfliegen zu lassen, um sie dann in die EU zu schleusen. Polens Grenzschutz registrierte am Donnerstag 255 Versuche von Migranten, die EU-Aussengrenze illegal zu überqueren. Darunter seien auch zwei grössere Gruppen von 500 und 50 Migranten gewesen, teilte die Behörde per Twitter mit.

Deutsche Absage an Belarus

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Lukaschenkos Sprecherin Natalja Eismont erklärte, dass der belarussische Staatschef gefordert habe, die deutsche Kanzlerin Angela Merkel solle einen «humanitären Korridor» für 2000 Migranten in die EU aushandeln. Im Gegenzug dazu bot er bei einem Telefonat mit der Kanzlerin an, sich um die Rückkehr von 5000 Migranten in ihre Heimatländer zu bemühen. Bei vielen Migranten, die mit Touristenvisum nach Belarus eingereist sind, löste das Sorge vor einer Deportation aus.

Mit seinem Vorstoss fing sich Lukaschenko in Berlin jedoch eine Absage ein. Die geschäftsführende Regierung sieht bei Fragen zur humanitären Situation der in Belarus festsitzenden Menschen dem Vernehmen nach die EU in der Verantwortung. Aus Berliner Regierungskreisen hiess es am Donnerstag: «Deutschland hat dem nicht zugestimmt. Es handelt sich um ein europäisches Problem, bei dem Deutschland nicht alleine vorgeht.»

Der deutsche Bundesinnenminister Horst Seehofer sagte zudem klar, dass die Bundesregierung keine entsprechende Vereinbarung mit Belarus getroffen habe. «Diese Meldung ist falsch», sagte Seehofer.

Um zu verhindern, dass Migranten zur Weiterschleusung in die EU nach Belarus gebracht werden, hatte die Europäische Union zuletzt harte Sanktionen auch gegen ausländische Fluggesellschaften angedroht. Daraufhin verfügte zum Beispiel die Türkei, dass Staatsbürger mehrerer arabischer Länder nicht mehr vom türkischen Staatsgebiet aus nach Belarus fliegen dürfen.

SRF 4 News, 18.11.2021, 22:30 Uhr ; 

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