Das hat es seit mehr als 100 Jahren nicht mehr gegeben. Dem berühmten Marine-Corps, der Kampftruppe der US-Marine, fehlt ein Befehlshaber. Wenigstens einer, der vom Senat bestätigt worden wäre. Die kleine Kammer im Kongress segnet die Beförderung von ranghohen Offizieren ab.
Eigentlich eine Formalität. Doch dank einer speziellen Regelung kann ein einzelner Senator diesen Prozess faktisch abwürgen. Ein Senator wie der Republikaner Tommy Tuberville.
Er blockiert seit Monaten Hunderte von Beförderungen. Der Hintergrund: In den USA besteht kein landesweites Recht auf Schwangerschaftsabbrüche mehr. Frauen im Militär können je nachdem, wo sie stationiert sind, nicht mehr legal abtreiben und müssen in einen anderen Bundesstaat fahren. Dafür gibt es bezahlten Urlaub. Die Reisekosten werden vom Verteidigungsministerium übernommen.
Das sei illegal, sagte Tuberville, ein überzeugter Abtreibungsgegner. «Der Verteidigungsminister hat diese illegale Regel in Kraft gesetzt. Er muss sie zurücknehmen und der Senat muss darüber abstimmen.»
Aus dem Verteidigungsministerium hiess es: Tubervilles Blockade berge Risiken für die nationale Sicherheit. Präsident Joe Biden nannte sie lächerlich. Sogar Republikaner kritisierten den Parteikollegen – bis jetzt erfolglos.
Verteidigungshaushalt sorgt für Diskussionen
Noch deutlicher zeigt sich der Konflikt um gesellschaftliche Reizthemen in der grossen Kammer im Repräsentantenhaus. Dort wurde das jährliche Gesetzespaket zum Verteidigungshaushalt zum Zankapfel.
Ein Militär, das woke ausgebildet wird, kann sich nicht verteidigen.
Die republikanische Mehrheit ergänzte das Gesetz um mehrere Massnahmen. Das Militär soll etwa keine Geschlechtsangleichung für Transmenschen mehr bezahlen dürfen und keine weiten Reisen für eine Abtreibung. Eine Abteilung, die für mehr Vielfalt in den Streitkräften sorgt, soll geschlossen werden. Damit biete man der linken Ideologie und der Indoktrination, dem sogenannten «Wokismus», die Stirn, der unter Biden auch das Militär erfasst habe. Das erklärte Kevin McCarthy, der im Repräsentantenhaus die Republikaner anführt.
«Ein Militär, das Woke ausgebildet wird, kann sich nicht verteidigen.» McCarthy verfügt nur über eine sehr knappe Mehrheit in der grossen Kammer. All diese Kulturkampfforderungen tragen die Handschrift des ganz rechten Parteiflügels, auf den McCarthy angewiesen ist und dem er immer wieder Zugeständnisse macht.
Diese Republikaner haben das Gesetz instrumentalisiert, um den Amerikanerinnen und Amerikanern eine extreme rechte Ideologie aufzuzwingen.
Diese extreme Gruppe innerhalb der Republikanischen Partei habe es geschafft, ein Gesetz in Geiselhaft zu nehmen, das essenziell sei für die nationale Sicherheit. Das erklärte Hakeem Jeffries, der im Repräsentantenhaus die Demokraten anführt: «Diese Republikaner haben das Gesetz instrumentalisiert, um den Amerikanerinnen und Amerikanern eine extreme rechte Ideologie aufzuzwingen.»
Vorprogrammierter Konflikt
Das Gesetz zum Verteidigungshaushalt im Umfang von 886 Milliarden Dollar muss auch noch durch den Senat, wo das Gesetz in der jetzigen Form wohl chancenlos ist. Ein weiterer Konflikt ist vorprogrammiert. Dabei ist das Militär eigentlich eine heilige Kuh. Beide Parteien bemühen sich, den Militärangehörigen und Veteranen viel Ehrerbietung zu zollen. Der Verteidigungshaushalt wird in der Regel von beiden Seiten unterstützt. Doch kein Bereich der US-Politik scheint mehr sicher vor dem Kulturkampf.