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Militärparade in Peking Kriegsgerät ist kein Indikator für Chinas Einsatzbereitschaft

Bei der grossen Militärparade in Peking hat China schweres Gerät aufgefahren. Das Land strebt eine moderne Armee an, doch was ist Schein und was ist Sein?

Drohnen, Interkontinentalraketen und unbemannte U-Boote ziehen auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking vorbei. Das eindrückliche Kriegsgerät steht für das steigende Budget der chinesischen Volksbefreiungsarmee. Unter Präsident Xi Jinping sind die jährlichen Ausgaben des Militärs weiter rasant gestiegen. Heute sind sie über zehnmal grösser als am Anfang des Jahrtausends.

80 Jahre Weltkriegsende – Militärparade in Peking

Trotz der Machtdemonstration sind Sicherheitsexperten wie Timothy Heath vom Thinktank Rand, der dem US-Militär nahesteht, skeptisch. Er erklärt: «Alleine fortschrittliche Waffen zu haben, heisst nicht, dass man weiss, wie man damit kämpft.» Dies gelte auch für die Volksbefreiungsarmee.

Obwohl US-Generäle behaupten würden, Xi wolle seine Streitkräfte bis 2027 kriegsbereit haben, zweifelt Heath daran: «Das chinesische Militär hat nicht die Erfahrung und auch nicht die Organisationsstruktur, um einen grossen Krieg zu führen.» Das werde auf absehbare Zeit so bleiben, sagt Heath.

Parteitreue über Gefechtsbereitschaft

Ein Hauptgrund dafür sei, dass die Volksbefreiungsarmee eigentlich der militarisierte Arm der Kommunistischen Partei Chinas sei. Parteitreue werde höher bewertet als Gefechtsbereitschaft.

«Die Soldaten verbringen 20 bis 40 Prozent ihrer Zeit mit politischer Indoktrination. Zeit, die investiert werden könnte, die Gefechtsbereitschaft zu verbessern», sagt der Sicherheitsexperte.

Zudem prägt laut Heath die politische Ausrichtung auch die Kommandostruktur. Jede Einheit habe eine geteilte Führung mit einem militärischen Kommandanten und einem Politkommissar. Letzterer könne die Entscheidungen des Ersteren blockieren. «Das führt zu einer Lähmung der Führung. Im Ernstkampf kann dies tödlich sein.»

Militärparade mit Fahrzeugen und Soldaten.
Legende: Kriegsschiffe, U-Boote und Drohnen: China führte bei der Militärparade in Peking allerlei Kriegsgerät vor. REUTERS/Tingshu Wang

Auch andere Beobachter sagen, die Volksbefreiungsarmee sei mit ihrer Organisation nicht auf einen möglichen Kriegseinsatz ausgerichtet. Die bestehenden Strukturen würden sogar Korruption begünstigen. Taylor Fravel, Professor für Politikwissenschaften an der US-Universität MIT erklärt: «Korruption gibt es insbesondere im Zusammenhang mit Rüstungsentwicklungs­programmen und Bauprojekten.» Und «die zunehmend grossen Summen für die Aufrüstung der Armee schaffen vermehrt Möglichkeiten, Geld abzuzweigen».

«Innere Stabilität für China wichtiger»

Uneinig sind sich die Experten darüber, was dies für eine potenzielle militärische Eskalation in der Taiwanstrasse bedeutet. Fravel analysierte die letzten militärischen Konflikte Chinas. Das Land habe auch Kriege geführt, ohne dass die Einsatzbereitschaft der Volksbefreiungsarmee gegeben gewesen sei. «Wenn China seine Interessen bedroht sieht, kann die Überzeugung reifen, dass es notwendig sei, diese zu verteidigen», sagt Fravel.

Timothy Heath findet historische Vergleiche nicht hilfreich. Er vertritt eine andere These. Im Gegensatz zu den offiziellen Verlautbarungen aus Peking meint er: «Taiwan hat keine hohe Priorität für die chinesische Führung.» Damit sei ein Krieg unwahrscheinlich. Für die innere Stabilität und damit den Machtanspruch der kommunistischen Partei sei die Wirtschaft viel wichtiger.

Das bei der Parade präsentierte Kriegsgerät kann also kein zuverlässiger Indikator dafür sein, wie stark und wie einsatzbereit die Volksbefreiungsarmee ist. Es bleibt eine Inszenierung für das eigene und das ausländische Publikum.

Echo der Zeit, 03.09.2025, 18 Uhr; noes

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