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Münchner Sicherheitskonferenz Demonstrativer Schulterschluss fällt aus

Die Idee einer europäischen Armee hätte in München Thema sein sollen. Dazu kam es nicht. SRF-Korrespondent Fredy Gsteiger erklärt, wieso.

Was ist passiert? Mit Donald Trump endete eine Ära für die Nato. Kaum im Amt, stellte der US-Präsident das westliche Militärbündnis – ein «Baby» der Vereinigten Staaten – in Frage. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron forderte daraufhin, rasch eine «Europäische Armee zur Verteidigung Europas» auf die Beine zu stellen. Kanzlerin Angela Merkel nahm dies als Vision auf.

Was war in München geplant? Eigentlich hätte diese «europäische Armee» an der Sicherheitskonferenz in München ein wichtiges Thema sein sollen. «Es war geplant, dass es einen grossen, gemeinsamen Auftritt von Präsident Macron und Kanzlerin Merkel gibt», erklärt der diplomatische Korrespondent von SRF, Fredy Gsteiger. Erwartet worden sei «ein symbolträchtiger Auftritt für den europäischen, sicherheitspolitischen Schulterschluss».

Das ist ein Zeichen, wie holprig und schwer dieser Weg zur europäischen Armee ist.
Autor: Fredy Gsteiger Diplomatischer Korrespondent, SRF

Bloss: Vor einigen Tagen sagte Macron seine Teilnahme an der Konferenz ab. Aus innenpolitischen Gründen – er müsse sich um den Aufruhr der Gelbwesten kümmern. «Das ist ein Zeichen, wie holprig und schwer dieser Weg zur europäischen Armee und auch nur zu dem Schulterschluss ist», so Gsteiger.

Braucht es eine europäische Armee? Eine gewisse Notwendigkeit lasse sich nicht abstreiten, sagt Gsteiger. «Denn schon mit Präsident Barack Obama und erst recht mit Donald Trump ist offenkundig, dass sich die USA zunehmend von Europa abwenden.» Das sei keine kurzfristige Entwicklung und gehe vielleicht sogar auch unter dem nächsten US-Präsidenten weiter. Andererseits, so Gsteiger: «Wenn man mit Sicherheitspolitikern, Militärs und Generälen spricht, dann tun viele das Vorhaben doch ab ins Fach Utopie.»

Trump von hinten vor Nato-Logo
Legende: Trump würde nicht zögern, die Nato-Mitgliedschaft zu kündigen und damit die Nato obsolet zu machen, heisst es in München. Mit der Äusserung, dass sich Europa nicht mehr auf die USA verlassen könne, habe er viel politischen Schaden verursacht, so Gsteiger. Keystone

Woran könnte diese Armee scheitern? Die EU-Staaten haben in der Aussenpolitik oft keine gemeinsame Haltung, etwa beim Irak-Krieg, bei der Intervention in Libyen, oder auch bei der Ukraine-Krise. «Das ist ein ganz grosses Problem», sagt der diplomatische Korrespondent. Es ist zwar Einiges vereinbart worden zwischen Deutschland und Frankreich. So entwickeln sie zusammen etwa einen Panzer und einen Kampfjet und möchten diese auch verkaufen. «Doch: Wessen Exportregeln gelten? Die lockereren der Franzosen oder die strengeren der Deutschen? Das ist völlig ungelöst», so Gsteiger.

Hinzu komme: Wenn Grossbritannien aus der EU austritt, besitzt nur noch ein europäisches Land Atomwaffen. Doch Frankreich ist nicht bereit, seine «Force de frappe» zu einer gemeinsamen europäischen Atomwaffe zu machen.

Wäre eine europäische Armee nicht zu klein? Einige europäische Länder – vor allem im Osten – rüsten stark auf. Aber in vielen anderen grossen Staaten wie Deutschland, Italien und Spanien ist diese Bereitschaft gering. Sie erfüllen nicht einmal die Selbstverpflichtung gegenüber der Nato, zwei Prozent des Bruttoinlandproduktes in die Verteidigung zu stecken.

Kann man es sich leisten, neben der Nato Parallelstrukturen zu schaffen mit einer europäischen Armee? Die Antwort ist relativ klar: Nein.
Autor: Fredy Gsteiger Diplomatischer Korrespondent, SRF

Das heisst, so Gsteigers Bilanz: Europa ohne die USA ist militärisch relativ schwach. Deshalb müsse man sich schon fragen: «Kann man es sich leisten, neben der Nato Parallelstrukturen zu schaffen mit einer europäischen Armee? Die Antwort ist relativ klar: Nein, das würde zu einer Verzettelung und zu Doppelspurigkeiten führen.»

Realisten würden deshalb dafür plädieren, statt eine europäische Armee aufzubauen, den europäischen Pfeiler in der Nato zu stärken. Auf diese Weise könne man selbstbewusster gegenüber den USA auftreten und auch die Nato-Politik stärker mitbestimmen.

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