Zum Inhalt springen

Muslimischer Fastenmonat Der Dauerstreit um Beginn und Ende des Ramadans

Dieser Tage endet der muslimische Fastenmonat Ramadan. Er hatte mit einer kleinen Sensation begonnen – und könnte auch so enden: Zum ersten Mal seit langer Zeit haben die beiden Erzrivalen Saudi-Arabien und Iran gleichzeitig begonnen zu fasten. Über die Hintergründe – und ob sie es auch schaffen, den Ramadan gemeinsam zu beenden – berichtet Susanne Brunner.

Susanne Brunner

Leiterin Auslandredaktion

Personen-Box aufklappen Personen-Box zuklappen

Susanne Brunner war für SRF zwischen 2018 und 2022 als Korrespondentin im Nahen Osten tätig. Sie wuchs in Kanada, Schottland, Deutschland und in der Schweiz auf. In Ottawa studierte sie Journalismus. Bei Radio SRF war sie zuerst Redaktorin und Moderatorin bei SRF 3. Dann ging sie als Korrespondentin nach San Francisco und war nach ihrer Rückkehr Korrespondentin in der Westschweiz. Sie moderierte auch das «Tagesgespräch» von Radio SRF 1. Seit September 2022 ist sie Leiterin der Auslandredaktion von Radio SRF.

Hier finden Sie weitere Artikel von Susanne Brunner und Informationen zu ihrer Person.

SRF News: Warum ist der Beginn der Fastenzeit in Iran und Saudi-Arabien ein Politikum?

Susanne Brunner: Weder Saudi-Arabien – die sunnitische Grossmacht in der Region – noch Iran – die schiitische Grossmacht – würden zugeben, dass politische Gründe irgendeine Rolle spielen. Doch Tatsache ist: In den vergangenen Jahren hatten die Gelehrten der beiden Länder den Ramadan nie gleichzeitig festgesetzt.

Wer zu Saudi-Arabien hält, hält sich an dessen Vorgaben, wer zu Iran hält, an jene – egal, ob die Mondsichel tatsächlich zu sehen ist oder nicht.

Wenn die Mondsichel in Saudi-Arabien zu sehen war, hat in Iran ganz sicher ein Sandsturm oder eine Wolke den Blick darauf versperrt. Das hat auch Auswirkungen auf die anderen muslimischen Länder: Wer zu Saudi-Arabien hält, hält sich an dessen Vorgaben, wer zu Iran hält, an jene – egal, ob die Mondsichel tatsächlich zu sehen ist oder nicht.

Das ist der Fastenmonat Ramadan

Box aufklappen Box zuklappen
Mann beobachtet vor einer Moschee den Himmerl mit einem Teleskop.
Legende: Reuters/Iqro Rinaldi

Der Ramadan ist der neunte Monat im muslimischen Mondkalender. Während des 29 oder 30 Tage dauernden Fastenmonats ist es für gläubige Muslime verboten, zwischen Sonnenaufgang und Sonnenuntergang zu essen oder zu trinken. Auch reden sollte man nur das Nötigste, ausserdem kein Parfum benutzen, nicht rauchen. Es soll auf Luxus und Lust verzichtet werden, ebenso auf Sex.

Wie werden Anfang und Ende des Ramadan denn berechnet?

Er beginnt mit der ersten Sichtung der Mondsichel nach dem Neumond. 29 oder 30 Tage später endet der Fastenmonat, wenn nach dem nächsten Neumond die Mondsichel wiederzusehen ist. Wie genau dies aber bestimmt wird, ist höchst umstritten: Ist der Mond sichtbar gemäss astronomischer Berechnungen? Dazu gibt es Apps, welche Anfang und Ende des Ramadans auf Jahrhunderte hinaus berechnen. Oder muss der Mond von blossem Auge gesehen werden können? Die meisten Gläubigen halten sich an die zweite Methode.

Darum verschiebt sich der Ramadan jedes Jahr

Box aufklappen Box zuklappen

Weil sich das Jahr gemäss islamischem Mondkalendern aus zwölf Mondmonaten zu 29 oder 30 Tagen zusammensetzt und damit bloss 354 oder 355 Tage lang ist, verschiebt sich der Ramadan gegenüber dem im Westen gebräuchlichen gregorianischen Kalender mit 365 Tagen jedes Jahr stetig um rund zehn Tage nach vorn. Folge: Findet der Ramadan im Juni statt, sind die Tage und damit die tägliche Zeit des Fastens viel länger als sie es sind, wenn er im Dezember stattfindet.

Und wie nutzen religiöse Autoritäten dies für ihre Zwecke aus?

Für religiösen Autoritäten – und vor allem für ihre Autorität – ist es heute wichtiger denn je, dass sie es sind, die bestimmen, wann sie die Mondsichel sehen. Saudi-Arabien als Hüterin der heiligen Stätten in Mekka und Medina ist dabei führend.

Die religiösen Behörden spielen also auf beiden Seiten eine Art Powerplay mit ‹ihren› Gläubigen.

Doch für Schiitinnen und Schiiten ist Iran in der Frage tonangebend. Die religiösen Behörden spielen also auf beiden Seiten eine Art Powerplay mit «ihren» Gläubigen, indem sie bestimmen, wann der Ramadan beginnt und wann er endet.

Was bedeutet es für die Menschen, wenn sie im Voraus nicht genau wissen, wann der Ramadan endet?

Vor allem das unsichere Ende des Ramadans, das Fest Eid al-Fitr, ist äusserst mühsam für die Bevölkerung. Es muss eingekauft und gekocht werden fürs grosse Fest des Fastenbrechens.

Es kommt schon mal vor, dass das grosse Fest zum Ende des Ramadans, Eid al-Fitr, um einen Tag verschoben werden muss.

Da kommt es schon mal vor, dass eigentlich schon alles parat ist – doch aus Saudi-Arabien kommt die Meldung, die Mondsichel sei nicht gesehen worden. Dann muss alles um einen Tag verschoben werden. Deshalb können die Feiertage nach dem Ramadan nicht im Voraus definiert werden – mit allen Unannehmlichkeiten, die das in einer modernen Welt mit sich bringt.

Wird der Ramadan in Saudi-Arabien und Iran diesmal wieder einmal gleichzeitig enden?

Nach der Schlichtung des seit Jahren andauernden Streits zwischen Saudi-Arabien und Iran durch China vor gut einem Monat stehen die Zeichen gut, dass sie die Mondsichel für einmal gleichzeitig sehen werden. «Inschallah», kann man da nur sagen.

Das Gespräch führte Raphaël Günther.

SRF 4 News, 19.4.2023, 07:50 Uhr ; 

Meistgelesene Artikel