Dieser Tage endet der muslimische Fastenmonat Ramadan. Er hatte mit einer kleinen Sensation begonnen – und könnte auch so enden: Zum ersten Mal seit langer Zeit haben die beiden Erzrivalen Saudi-Arabien und Iran gleichzeitig begonnen zu fasten. Über die Hintergründe – und ob sie es auch schaffen, den Ramadan gemeinsam zu beenden – berichtet Susanne Brunner.
SRF News: Warum ist der Beginn der Fastenzeit in Iran und Saudi-Arabien ein Politikum?
Susanne Brunner: Weder Saudi-Arabien – die sunnitische Grossmacht in der Region – noch Iran – die schiitische Grossmacht – würden zugeben, dass politische Gründe irgendeine Rolle spielen. Doch Tatsache ist: In den vergangenen Jahren hatten die Gelehrten der beiden Länder den Ramadan nie gleichzeitig festgesetzt.
Wer zu Saudi-Arabien hält, hält sich an dessen Vorgaben, wer zu Iran hält, an jene – egal, ob die Mondsichel tatsächlich zu sehen ist oder nicht.
Wenn die Mondsichel in Saudi-Arabien zu sehen war, hat in Iran ganz sicher ein Sandsturm oder eine Wolke den Blick darauf versperrt. Das hat auch Auswirkungen auf die anderen muslimischen Länder: Wer zu Saudi-Arabien hält, hält sich an dessen Vorgaben, wer zu Iran hält, an jene – egal, ob die Mondsichel tatsächlich zu sehen ist oder nicht.
Wie werden Anfang und Ende des Ramadan denn berechnet?
Er beginnt mit der ersten Sichtung der Mondsichel nach dem Neumond. 29 oder 30 Tage später endet der Fastenmonat, wenn nach dem nächsten Neumond die Mondsichel wiederzusehen ist. Wie genau dies aber bestimmt wird, ist höchst umstritten: Ist der Mond sichtbar gemäss astronomischer Berechnungen? Dazu gibt es Apps, welche Anfang und Ende des Ramadans auf Jahrhunderte hinaus berechnen. Oder muss der Mond von blossem Auge gesehen werden können? Die meisten Gläubigen halten sich an die zweite Methode.
Und wie nutzen religiöse Autoritäten dies für ihre Zwecke aus?
Für religiösen Autoritäten – und vor allem für ihre Autorität – ist es heute wichtiger denn je, dass sie es sind, die bestimmen, wann sie die Mondsichel sehen. Saudi-Arabien als Hüterin der heiligen Stätten in Mekka und Medina ist dabei führend.
Die religiösen Behörden spielen also auf beiden Seiten eine Art Powerplay mit ‹ihren› Gläubigen.
Doch für Schiitinnen und Schiiten ist Iran in der Frage tonangebend. Die religiösen Behörden spielen also auf beiden Seiten eine Art Powerplay mit «ihren» Gläubigen, indem sie bestimmen, wann der Ramadan beginnt und wann er endet.
Was bedeutet es für die Menschen, wenn sie im Voraus nicht genau wissen, wann der Ramadan endet?
Vor allem das unsichere Ende des Ramadans, das Fest Eid al-Fitr, ist äusserst mühsam für die Bevölkerung. Es muss eingekauft und gekocht werden fürs grosse Fest des Fastenbrechens.
Es kommt schon mal vor, dass das grosse Fest zum Ende des Ramadans, Eid al-Fitr, um einen Tag verschoben werden muss.
Da kommt es schon mal vor, dass eigentlich schon alles parat ist – doch aus Saudi-Arabien kommt die Meldung, die Mondsichel sei nicht gesehen worden. Dann muss alles um einen Tag verschoben werden. Deshalb können die Feiertage nach dem Ramadan nicht im Voraus definiert werden – mit allen Unannehmlichkeiten, die das in einer modernen Welt mit sich bringt.
Wird der Ramadan in Saudi-Arabien und Iran diesmal wieder einmal gleichzeitig enden?
Nach der Schlichtung des seit Jahren andauernden Streits zwischen Saudi-Arabien und Iran durch China vor gut einem Monat stehen die Zeichen gut, dass sie die Mondsichel für einmal gleichzeitig sehen werden. «Inschallah», kann man da nur sagen.
Das Gespräch führte Raphaël Günther.