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Mutiger Spagat Nestlés Umbau ist ein Balance-Akt

Just einen Tag vor der Präsentation der Jahreszahlen trennt sich Nestlé vom gesamten Wassergeschäft in Nordamerika und erklärt, sich vor allem auf die Premiummarken in Europa zu konzentrieren wie San Pellegrino oder Perrier. Zugekauft indes hat der Konzern im vergangenen Jahr Firmen zum Beispiel im Bereich Premium-Tierfutter.

Das zeigt: Der Westschweizer Nahrungsmittel-Gigant will nicht einfach viel Umsatz machen, sondern vor allem auch Gewinne einfahren. Die aktuellen Zahlen geben ihm recht. Das Geschäft mit teurem Starbucks- und Nespresso-Kaffee wächst, ebenso die ertragreiche Sparte Tierfutter oder Zusätze für eine gesündere Ernährung.

Eine grosse Herausforderung

Nestlé braucht eine gut gefüllte Kasse. Im Dezember hat der Konzern nämlich angekündigt, seinen CO2-Ausstoss bis 2050 auf Netto Null senken zu wollen, und das auf der gesamten Wertschöpfungskette. Das ist eine grosse Herausforderung, da über zwei Drittel des CO2-Fussabdrucks in der Produktion anfallen. Bis sämtliche Landwirtschaftsbetriebe und Zulieferfirmen die neue Ausrichtung übernommen haben werden, wird es dauern.

Der Konzern lässt sich diese Strategie auch einiges kosten, in der ersten Phase über drei Milliarden Franken. Dieses Geld investiert Nestlé aber nicht aus purer Menschenliebe. Konzern-Chef Mark Schneider ist überzeugt, dass ein ökologischerer Konzern einen Mehrwert schaffe. Früher oder später würden CO2-Emissionen besteuert oder gar gebüsst, und dem will der Nahrungsmittel-Gigant zuvorkommen.

Signalwirkung für andere Unternehmen?

Zu radikalen Schritten im gesamten Sortiment sieht sich Nestlé indes nicht veranlasst: So investiert der Konzern zwar in pflanzenbasierte Nahrung, bleibt der Tiefkühlpizza aber weiter treu. Ebenso trennt er sich nicht von der Sparte Milchprodukte, will aber den CO2-Ausstoss von Kühen reduzieren. Und obwohl der Gigant aus Vevey gesünder und nachhaltiger werden will, verzichtet er nicht komplett aufs Süsswarengeschäft. Genuss gehöre weiter zum Konzern, stellt Chef Mark Schneider klar – vor allem in jenen Bereichen, wo sich mit Premium-Süsswaren wie Kit Kat gute Gewinne machen lassen.

Nestlés Umbau ist ein Balance-Akt: Einerseits gilt es, den trägen Grosskonzern auf einen nachhaltigeren Kurs bringen, andererseits sollen die Aktionärinnen und Aktionäre mit der Ausschüttung von Dividenden und Aktienrückkäufen während dieses Kurswechsels weiter bei der Stange gehalten werden. Das scheint – das zeigen die Zahlen – bisher zu gelingen. Und das dürfte auch Signalwirkung haben für andere Unternehmen.

Dario Pelosi

Wirtschaftsredaktor

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Dario Pelosi hat Geografie und Medienwissenschaften studiert. Seit 2003 arbeitet er bei Radio SRF, seit Sommer 2017 als Wirtschaftsredaktor. Seine Spezialgebiete sind Rohstoffhandel, Transport, Werkplatz Schweiz und Energie.

Echo der Zeit vom 18.02.2021

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