In den USA gibt es Stimmen, die sagen, ohne die Unterstützung von Charlie Kirk wäre Trump nicht wiedergewählt worden. Nun wurde der 31-Jährige am Mittwoch in Utah erschossen. Sicherheitsexperte Peter Neumann ordnet die neue Situation ein.
SRF News: In den USA wird vermutet, dass dieser Mord politisch motiviert war. Sehen Sie das auch so?
Peter Neumann: Das ist wahrscheinlich, denn Kirk, der getötete Aktivist, war ein sehr politischer und prominenter Mensch, der eng mit Trump verbunden war. Wenn der Täter kein psychisch Gestörter war, dann ist zu vermuten, dass ein politischer Hintergrund dahintersteckt.
Kirk war wahrscheinlich einer der wichtigsten fünf Leute in Trumps Bewegung.
Wie gross war Kirks Einfluss auf die US-Politik?
Er war sehr gross. Kirk war wahrscheinlich einer der wichtigsten fünf Leute in Trumps Umfeld. Er hat in den letzten acht, neun Jahren eine riesige Bewegung aufgebaut. Sie heisst Turning Point USA, hat mehr als 10 Millionen vor allem junge Follower. US-Vizepräsident J.D. Vance hat sogar gesagt, dass die Veranstaltungen, die Kirk während des Wahlkampfs organisiert hat, genauso wichtig waren wie die von Trump selbst.
Spaltet der Mord an Kirk die USA weiter?
Auf jeden Fall. Trump hat im ganzen Land eine Halbmast-Beflaggung angeordnet und im US-Kongress gab es bei einer Schweigeminute eine heftige Auseinandersetzung. Eine weitere Befürchtung ist, dass Trump nun das Gefühl hat, er müsse sich mit wirklich harschen Massnahmen zur Wehr setzen.
An welche «harschen» Massnahmen denken Sie?
Ich könnte mir vorstellen, dass Leute, die links-verdächtig sind oder von denen man glaubt, sie seien möglicherweise Linksextreme, verhaftet werden. Und Trump könnte Erlasse machen, mit denen die Meinungsfreiheit beschränkt wird.
Kirk ist dieses Jahr nicht das erste Opfer mutmasslich politischer Gewalt. Rutschen die USA zusehends in ein Klima der politischen Gewalt?
Das ist richtig und das wird schon seit einiger Zeit befürchtet. Die USA sind unter Trump eine viel polarisiertere Gesellschaft geworden. Diese Polarisierung drückt sich rechts – mit Trump – aus, aber eben auch links. Und diese Extreme schaukeln sich hoch.
Man darf nicht vergessen: Die USA sind ein Land, in dem 350 Millionen Waffen in privatem Besitz sind.
Auf beiden Seiten wird das Klima nun weiter vergiftet?
Auf jeden Fall. Ich denke, dass dieser Mord eine Art Auslöser ist, der möglicherweise die Eskalationsspirale noch weiter dreht. Man muss abwarten, wie Trumps Anhänger reagieren. Man darf nicht vergessen: Die USA sind ein Land, in dem 350 Millionen Waffen in privatem Besitz sind. Sie können politische Gewalttaten ermöglichen.
Präsident Trump spricht nur von Gewalt der radikalen Linken. Den Mord an der demokratischen Politikerin in Minnesota erwähnt er nicht. Müsste der Präsident nicht deeskalieren?
Ja, aber sein Geschäftsmodell ist Polarisierung. Das haben wir auch in der ersten Amtszeit gesehen. Terroranschläge von Dschihadisten wurden von Trump sofort kritisiert. Doch wenn Rechtsextreme Anschläge verübt haben, hat er sich entweder gar nicht geäussert oder hat gesagt, es seien Verrückte ohne politisches Motiv gewesen. Diese Ungleichbehandlung und dieser mangelnde Wille, die Bevölkerung und das Land zu befrieden, das sind Risikofaktoren.
Erleben wir mit dem Mord an Kirk einen Kipppunkt der US-Demokratie?
Diese Gefahr besteht und die Überhitzung ist deutlich zu merken. Es kommt jetzt darauf an, was in den nächsten zwei, drei Tagen passiert.
Das Gespräch führte Daniel Hofer.