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Nach Attentat mit Todesfolge «Trumps Geschäftsmodell ist Polarisierung»

In den USA gibt es Stimmen, die sagen, ohne die Unterstützung von Charlie Kirk wäre Trump nicht wiedergewählt worden. Nun wurde der 31-Jährige am Mittwoch in Utah erschossen. Sicherheitsexperte Peter Neumann ordnet die neue Situation ein.

Peter Neumann

Professor für Sicherheitsstudien

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Peter Neumann ist deutscher Journalist, Publizist und Professor für Sicherheitsstudien am King’s College in London.

SRF News: In den USA wird vermutet, dass dieser Mord politisch motiviert war. Sehen Sie das auch so?

Peter Neumann: Das ist wahrscheinlich, denn Kirk, der getötete Aktivist, war ein sehr politischer und prominenter Mensch, der eng mit Trump verbunden war. Wenn der Täter kein psychisch Gestörter war, dann ist zu vermuten, dass ein politischer Hintergrund dahintersteckt.

Kirk war wahrscheinlich einer der wichtigsten fünf Leute in Trumps Bewegung.

Wie gross war Kirks Einfluss auf die US-Politik?

Er war sehr gross. Kirk war wahrscheinlich einer der wichtigsten fünf Leute in Trumps Umfeld. Er hat in den letzten acht, neun Jahren eine riesige Bewegung aufgebaut. Sie heisst Turning Point USA, hat mehr als 10 Millionen vor allem junge Follower. US-Vizepräsident J.D. Vance hat sogar gesagt, dass die Veranstaltungen, die Kirk während des Wahlkampfs organisiert hat, genauso wichtig waren wie die von Trump selbst.

Claudia Brühwiler: Kein langes Innehalten

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Porträt einer lächelnden Person mit Brille.
Legende: Uni SG

Claudia Brühwiler, Professorin für Amerika-Studien an der Universität St. Gallen, glaubt nicht, dass das tödliche Attentat auf Charlie Kirk zu einer Besinnung im politischen Schlagabtausch in den USA führt. «Das Innehalten nach dem Mord wird kaum lange anhalten», sagt sie im «Tagesgespräch» von Radio SRF.

Wie nach dem Attentat auf Donald Trump im Wahlkampf werde man in den USA womöglich recht rasch wieder zur politischen Normalität – so, wie sie unter Trump herrscht – zurückkehren. Die nächsten Tage würden zeigen, ob und inwiefern sich die Lage beruhigen werde.

Hören Sie hier das ganze «Tagesgespräch» mit Claudia Brühwiler.

Spaltet der Mord an Kirk die USA weiter?

Auf jeden Fall. Trump hat im ganzen Land eine Halbmast-Beflaggung angeordnet und im US-Kongress gab es bei einer Schweigeminute eine heftige Auseinandersetzung. Eine weitere Befürchtung ist, dass Trump nun das Gefühl hat, er müsse sich mit wirklich harschen Massnahmen zur Wehr setzen.

Flaggen, Blumen, ein Gedenkkärtchen und ein Foto von Donald Trump stehen zur Erinnerung an Charlie Kirik vor dem Spital.
Legende: Zum Gedenken an Charlie Kirk hat jemand ein Foto von US-Präsident Donald Trump in Siegerpose vor das Timpanogos-Regionalspital gelegt. Keystone/Lindsay Wasson

An welche «harschen» Massnahmen denken Sie?

Ich könnte mir vorstellen, dass Leute, die links-verdächtig sind oder von denen man glaubt, sie seien möglicherweise Linksextreme, verhaftet werden. Und Trump könnte Erlasse machen, mit denen die Meinungsfreiheit beschränkt wird. 

Kirk ist dieses Jahr nicht das erste Opfer mutmasslich politischer Gewalt. Rutschen die USA zusehends in ein Klima der politischen Gewalt?

Das ist richtig und das wird schon seit einiger Zeit befürchtet. Die USA sind unter Trump eine viel polarisiertere Gesellschaft geworden. Diese Polarisierung drückt sich rechts – mit Trump – aus, aber eben auch links. Und diese Extreme schaukeln sich hoch. 

Man darf nicht vergessen: Die USA sind ein Land, in dem 350 Millionen Waffen in privatem Besitz sind. 

Auf beiden Seiten wird das Klima nun weiter vergiftet?

Auf jeden Fall. Ich denke, dass dieser Mord eine Art Auslöser ist, der möglicherweise die Eskalationsspirale noch weiter dreht. Man muss abwarten, wie Trumps Anhänger reagieren. Man darf nicht vergessen: Die USA sind ein Land, in dem 350 Millionen Waffen in privatem Besitz sind. Sie können politische Gewalttaten ermöglichen.

Präsident Trump spricht nur von Gewalt der radikalen Linken. Den Mord an der demokratischen Politikerin in Minnesota erwähnt er nicht. Müsste der Präsident nicht deeskalieren?

Ja, aber sein Geschäftsmodell ist Polarisierung. Das haben wir auch in der ersten Amtszeit gesehen. Terroranschläge von Dschihadisten wurden von Trump sofort kritisiert. Doch wenn Rechtsextreme Anschläge verübt haben, hat er sich entweder gar nicht geäussert oder hat gesagt, es seien Verrückte ohne politisches Motiv gewesen. Diese Ungleichbehandlung und dieser mangelnde Wille, die Bevölkerung und das Land zu befrieden, das sind Risikofaktoren.

Eine Flagge auf Halbmast, im Hintergrund das Weisse Haus
Legende: Nicht nur vor dem Weissen Haus in Washington stehen die Flaggen auf Halbmast. Keystone/Will Oliver

Erleben wir mit dem Mord an Kirk einen Kipppunkt der US-Demokratie?

Diese Gefahr besteht und die Überhitzung ist deutlich zu merken. Es kommt jetzt darauf an, was in den nächsten zwei, drei Tagen passiert.

Das Gespräch führte Daniel Hofer.

Rendez-vous, 11.9.2025, 12:30 Uhr ; 

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